Mit Florian David Fitz zu sprechen, ist für mich vor allem deswegen spannend, weil wir immer wieder auf Themen kommen, die ich vor dem Interview gar nicht unbedingt auf dem Zettel hatte. Bei seinem neuen Film „No Hit Wonder“, für den er nicht nur die Hauptrolle des gescheiterten Sängers Daniel übernimmt (den Karriereabstieg des One Hit Wonders fand ich im Film extrem gut getroffen), sondern auch das Drehbuch geschrieben hat.
Es lag nahe, dass wir uns über Musik unterhalten, denn Florian singt auch den absoluten Ohrwurm, der euch tagelang nicht aus dem Kopf gehen wird. Gelandet sind wir aber bei KI, bei Glück und Zuversicht und irgendwie auch Religion. Klingt erstmal unerwartet, passt aber auch zu „No Hit Wonder“. Denn auch der Film wird euch vermutlich unerwartet treffen und euch hoffentlich animieren, nach etwas zu suchen, was euch Zuversicht schenkt. Ich wünsche es euch.
Florian, als wir uns zu „Wochenendrebellen“ unterhalten haben, meintest du, dass Fußballchöre etwas sehr Heilsames haben. Jetzt hast du mit „No Hit Wonder“ einen Film über Chöre gemacht. Hat dich der eine Film zum anderen inspiriert?
Florian David Fitz: Ha, nein, die Idee zu diesem Film gab es da schon. Aber es hat mich zumindest in meiner Annahme bestätigt, dass es etwas Heilsames ist, wenn sich das Ego mal einen Moment auflöst. Du weißt, dass wir grade als Deutsche aus historischen Gründen ein Thema mit Gruppen und Massenbewegungen haben. Aber dieses Gefühl war damals für mich überwältigend, und ich kann es für diesen Film nur wieder bestätigen.
Es fühlt sich auch ein bisschen blöd an, darüber zu sprechen, weil es sich nicht so gut beschreiben lässt, ohne dass es sofort nach Klangschale und „Om“ klingt. Dabei ist es das gar nicht. Es ist eine ganz viszerale Reptilienhirnerfahrung.
Es ist etwas ganz Simples: zusammen in der Gruppe singen. Ich rede absichtlich nicht davon, sich allein irgendwo hinzustellen und zu singen. Das ist die eine Sache, und auch das kann sehr schön sein. Aber zusammen in einer Gruppe zu singen, da entsteht ein gemeinsamer Moment. Und dann machen alle den Mund zu, und er ist wieder weg. Das ist etwas ganz Heilsames.

Die einzelnen Figuren in dem Film sind schon schüchtern, haben aber ein Interesse daran, zusammen zu singen. Das trifft ja aber nicht auf alle Menschen zu. Vielen ist Singen doch auch ziemlich peinlich. Warum ist das so?
Bei Kindern ist es auf jeden Fall nicht so. [Er überlegt]
Vielleicht ist es einem auch peinlich, vor einer Gruppe zu singen. Es geht vielleicht eher um das Angeschautwerden, ums nach vorn Treten und Singen. Das ist, glaube ich, für jeden eine Überwindung.
Im Film geht’s ja ums Zusammensingen, und das ist gar nicht schwer. Wenn du in einem Yogakurs bist und dann sollst du plötzlich „Om“ singen, das könnte peinlich sein, weil du vielleicht das Gefühl hast, die Person neben dir hört dir zu. Aber ich glaube, das ist relativ schnell überwunden.
Das ist eine gute Frage, warum es uns peinlich ist, zu singen. Vielleicht, weil man sich so entäußert und weil wir alle nicht mehr so viel singen wie früher. Ich glaube, in anderen Gesellschaften, in denen noch viel mehr im Alltag gesungen wird, ist das nicht so. Vielleicht haben wir uns davon ein bisschen distanziert und hören statt einander dann eher dem Radio zu? Es ist eine gute Frage, ich weiß nur die Antwort nicht.

Im Film heißt es: „Burnout klingt besser. Das klingt nach Arbeit. Depression klingt nach Loser.“ Mit dem Gedanken ist diese Figur ganz sicher nicht allein. Was muss sich in unserer Gesellschaft deiner Meinung nach ändern, damit der Einzelne offener mit psychischen Erkrankungen umgehen kann?
Ich finde, ehrlich gesagt, dass sich schon wahnsinnig viel geändert hat. Wenn wir mal 40 Jahre zurückschauen, da hat keiner darüber geredet. Wenn ich mit meinen Eltern gesprochen hätte und gesagt hätte: „Jetzt holt euch eben Hilfe“, dann hätten die vermutlich geantwortet, dass sie doch nicht verrückt sind.
Es gibt inzwischen eine ganz andere Offenheit für diese Sachen. Und du darfst auch nicht vergessen: Im Film reden wir eher vom ganz normalen Unglück, das uns alle mal ereilt. Wenn wir von schweren psychischen Krankheiten reden oder vom Alter, vom Pflegen, von Demenz, dann sind das einfach Sachen, die du allein nicht gebacken kriegst. Wenn jemand in deiner Familie dement wird, braucht die Person irgendwann eigentlich permanent zwei, drei Leute, die sich nur darum kümmern.
Deswegen gibt es da keine Antwort im Sinne von: Wenn die Gesellschaft jetzt dieses oder jenes machen würde, dann wäre alles supertoll und dann würde alles funktionieren. Ich glaube, dass das ganz schwer hinzukriegen ist.
Ich sag jetzt mal was, das vielleicht im ersten Moment ganz eigenartig klingt: ich habe ja, wie alle, diverse Schreckensvisionen, wenn es um unsere Zukunft mit KI geht. Eine Sache finde ich aber echt denkbar: ein Pflegeroboter, einen der mir die Nägel schneidet und aus dem Bett hilft und auch mal was vorliest. Viele werden die Vorstellung schrecklich finden, aber ich glaube, dann sind die Liebsten von der harten Pflegearbeit entlastet und man hätte Zeit und Energie für den gemeinsamen Kaffee.
Ich persönlich würde mich mit so einem Automaten unabhängiger und selbstbestimmter fühlen, und man muss sich dann auch nicht ständig bedanken und lästig fühlen. Vielleicht ist das die Antwort: Wenn die Arbeit dann einfach von der KI gemacht wird, können die Menschen sich wieder auf die menschliche Interaktion besinnen. Das wäre doch gut. Ich hoffe nur, das klingt jetzt nicht zu dystopisch. [Er lacht]

Ich bin da bei dir, ich glaube, das wäre eine echte Erleichterung. Denn genau das fehlt zumindest mir im Alltag: eine KI, die all den Kram macht, der im Haushalt so liegen bleibt und mich davon abhält, mich mit Freund*innen zu treffen. Dazu muss ich nicht mal alt sein, ich fände diese Unterstützung jetzt schon gut.
Ich glaube, dass es ganz viele Sachen gibt, wo KI helfen kann. Ich denke auch, dass wir in der Medizin noch ganz viele Sachen sehen werden, wo die KI uns unser Leben ganz konkret massiv erleichtern wird. Also, wenn wir es noch erleben, und die KI uns nicht vorher umbringt. [Er lacht]
Es könnte aber auch dazu kommen, dass manche dann Oma gar nicht mehr besuchen, weil sie glauben, der Pflegeroboter kümmert sich um alles, gerade wenn er auch noch Interaktion bietet.
Das kann auf jeden Fall auch passieren. Ich glaube aber, dass die Leute schon ein Bedürfnis danach haben, mit ihrer Oma zu sprechen. Und ich glaube auch, dass es Oma weniger unangenehm wäre, den Roboter zu fragen, ob er ihr die Windel wechselt, als ihre Tochter. Die meisten Menschen würden die Aufgabe vermutlich lieber den Roboter machen lassen und mit der Tochter Tee trinken.

Miteinander Zeit verbringen, kann ein großes Glück sein. Und genau das, Glück, ist ein großes Thema im Film. Es fallen Sätze wie „Glück ist keine Kassenleistung“ und auch „glückliche Menschen agieren sozialer“. Was genau ist denn Glück?
[Er lacht] Das Glücksversprechen hat ja wieder etwas mit unserer westlichen Welt, mit dem Kapitalismus zu tun. Wir alle sollen das Glück ja wollen, damit wir uns ständig bewegen und irgendwas machen. Dabei wissen wir alle, zumindest, wenn wir mal drüber nachdenken, dass Glück kein Dauerzustand ist. Es ist also eigentlich eine total sinnfreie Unterhaltung, wenn wir die ganze Zeit übers Glück sprechen und einander fragen, wie glücklich wir denn gerade sind.
Wie glücklich jemand werden kann, ist doch ein Geschenk vom Leben. Das passiert dir, oder es passiert dir nicht. Du bist mal glücklich, und mal weniger glücklich. Es kann auch überhaupt kein Dauerzustand sein. Denn schon rein chemisch muss das Dopamin ja irgendwann auch mal wieder auf die andere Seite vom Synapsenspalt. Anders ist es gar nicht möglich zu leben.
Soviel also zum Glück. Wonach wir streben können, ist Zufriedenheit. Das ist aber ein ganz anderes Programm. Das klingt nur erstmal nicht so sexy. Und dann kommen da auch nur so ganz alte Sachen wie: „Sei im Moment, sei diszipliniert und streng dich an, mach Sport, geh in die Natur.“ Oder „sei bei deiner Familie und deinen Freunden, finde etwas Größeres als dich selbst.“ Das klingt alles ganz schön langweilig, oder?
In der Religion war das früher alles gegeben. Und bei aller berechtigten Kritik an Religion und dem Missbrauch, den es da gibt und der auch benannt werden muss: Etwas zu haben, das größer ist als man selbst und dem man sich hingeben kann, das ist für einen selbst etwas Positives. Weil man sich und anderen nichts wegnimmt. Aber es ist auch nicht so, dass ich das immer so könnte. [Er lacht]

Im Film geht’s aber nicht um Zufriedenheit. Da geht’s immer um Glück. Es muss ja einen Grund geben, warum du das im Film eben so anders thematisierst.
Ne, ich glaube, wir nutzen das Wort Glück, aber gemeint ist eigentlich: Freude, Sinn, Zufriedenheit. Aber es gibt ja z. B. die Glücksforschung, und die heißt ja auch tatsächlich so. Wohlbefindensforschung klingt vielleicht auch einfach nicht so gut. [Er lacht]
„No Hit Wonder“ läuft ab dem 30. Oktober im Kino. Für mich passt der Film total in die Zeit, weil die meisten von uns sich in den kälteren und dunkleren Tagen wieder mehr zurückziehen werden.
Verabredet euch doch stattdessen mit Freund*innen, es muss ja nicht zum gemeinsamen Singen sein. Aber schaut den Film und überlegt, welche Aktivitäten euch Freude bereiten und Zufriedenheit schenken. „No Hit Wonder“ kann da einen tollen Anstoß geben. Und, das muss ich am Ende einfach auch loswerden: DEN Ohrwurm, werdet ihr so schnell nicht wieder los.

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