Von Katia Fellin habe ich im letzten Interview gelernt, wie in Italien Uniabschlüsse gefeiert und von der Familie begleitet werden. Ich denke da nach wie vor gern dran, weil ich mir wünsche, dass wir dieses System einfach auch in Deutschland übernehmen.
Dieses Mal, zum Start ihrer neuen Serie „Weiß & Morales“, sprechen wir über das Drehen mit einer spanischen Crew, kanarische Inseln, Soft Crime und warum nicht bei jedem heteronormative Kolleg*innenpaar immer unbedingt die Funken sprühen müssen.
Wie gut war denn dein Spanisch vor den Dreharbeiten? Denn, kleine Info für alle: In der Mediathek könnt ihr die Serie auch im Originalton, also auf Spanisch, anschauen.
Katia Fellin: Mein Spanisch war vor dem Dreh relativ gut, ich spreche es fließend. Ich habe für anderthalb Jahre in Ecuador gelebt und dort Spanisch sprechen gelernt. Als Italienerin ist das auch nicht ganz so schwierig, weil die Sprachen ja sehr nah beieinander sind.
Ich musste mein Spanisch ein bisschen adaptieren, denn das Spanisch, das auf den Kanaren gesprochen wird, ist eher an dem lateinamerikanischen Spanisch dran. Sie haben die lateinamerikanische Grammatik, das kam mir sehr gelegen.

Wie war das denn bei den Dreharbeiten? Denn teilweise wechselt ihr ja innerhalb einer Szene zwischen Deutsch und Spanisch.
Das war für alle Beteiligten eine Herausforderung, vor allem für diejenigen, die nicht beide Sprachen verstehen. Margarita [Broich, die in der Serie die Mutter spielt] spricht und versteht z. B. gar kein Spanisch. In einem komplett spanischen Team zu arbeiten, das dazu noch viel lauter ist als ein deutsches Team, war da sicher eine Umstellung.
Wir haben zu 95 % auf Spanisch gedreht, da war es für mich eher komisch, dann auf einmal Deutsch zu sprechen. Am herausforderndsten war, dass die zwei Regisseurinnen Deutsch nicht sprechen und auch nicht verstehen. Das heißt, wenn wir auf Deutsch gespielt haben, z. B. Margarita und ich, dann wussten die Regisseurinnen natürlich, was in dieser Szene verhandelt wird, aber sie haben nur die Töne gehört. Trotzdem konnten sie uns ziemlich gut dirigieren.
Eine Frage noch: Wird es eine zweite Staffel geben?
Es gibt auf jeden Fall Potenzial. Und es gibt sieben kanarische Inseln, wir haben erst von zweien erzählt …
Wie guckst du denn Serien und Filme am liebsten? Im Original, mit Untertiteln oder alles auf Deutsch oder Italienisch?
Ich gucke schon im Original. Ich merke, dass mir sonst zu viel verloren geht. Denn, um noch mal über die Regisseurinnen bei „Weiss & Morales“ zu sprechen: Die haben auch nur die Töne verstanden, nicht den Inhalt. Und haben so viel mehr mitbekommen. Das ist also auch hilfreich, um sich mehr auf das Gesehene einzulassen.
Wobei, es gibt eine Serie, die kann ich nicht im Original schauen. Ich habe die früher im ORF, „Charmed – Zauberhafte Hexen“, auf Deutsch geguckt. Das funktioniert für mich im Englischen jetzt nicht mehr, weil ich das mit früher verknüpfe.

Was neben den schönen Bildern in „Weiss & Morales“ auch auffällt: Die Krimis sind nicht so hart. Welche Art von Krimis bevorzugst du denn?
Darüber habe ich dann nachgedacht, ich kenne mich im Krimi auch echt nicht gut aus. Ich verstehe Krimi als Genre, ich habe ja auch in unterschiedlichen Krimiformaten gearbeitet. Ich habe einen „Tatort“ gedreht, ich habe bei „Der Pass“ mitgespielt, was ganz anders ist, aber immerhin auch zwei Kommissare und zwei Ländergrenzen als Thema hat.
Wenn ich ehrlich bin: Ich kann mir die meisten Krimis allein gar nicht angucken. Ich muss da ausschalten, weil mein Herzschlag direkt nach oben geht, wenn diese spannungsgeladene Musik ertönt. Dun, dun, dun …
Deswegen habe ich wenig Expertise, was das Schauen von Krimis angeht. Was ich mir anschauen kann, ist Soft Crime. Wenn ich mit anderen Menschen so etwas zusammen gucke, dann halte ich das gut aus. Suspense, diese Spannung, das ist ja schon auch etwas Interessantes. Das erreicht man ja nicht allein durch die Schauspielerei, da gehören Drehbuch, Schnitt und Kamera dazu. Und dann die Fantasie der Zuschauer.
Ich kann mir gut Sachen ansehen, die meine Fantasie anregen, ohne dass Adrenalin mein Angstgefühl triggert. Ich kann dir nur kein Beispiel nennen, bei welchem Krimi das bei mir der Fall ist. [Sie lacht]
Ich finde z. B., dass die Harry-Potter-Bücher ein super Krimi sind. Nicht die Filme, aber die Bücher sind toll. Da kann sich jeder selbst aussuchen, was man sich da vorstellen möchte. Wie groß ist die Spinne und wie böse ist die Figur? In den Büchern bestimmt unsere eigene Fantasie, in den Filmen wird uns das schon vorgegeben. Da sind die Figuren dann einfach sehr groß und böse.
Vielleicht ist „Weiss & Morales“ aber so ein Soft Crime, den du empfehlen kannst?
Das stimmt. Ich habe auch meiner Mutter gesagt, dass sie das gucken kann. Sie ist normalerweise noch krasser als ich und schaut gar nichts an.
Es ist ja so, dass viele Fälle auch auserzählt sind. Wenn man nicht in die Fantasy-Richtung geht, dann kann man sich auch nicht unendlich viele neue Arten ausdenken, wie Menschen sterben. Deswegen erzählen wir neben dem Krimi auch viel über die Charaktere. Es gibt so viele unterschiedliche Figuren. Und natürlich ist auch die Natur eine große Protagonistin. Die Inseln nehmen viel Platz ein und erzählen auch ihre ganz eigene Geschichte.

Weißt du, was mir total wohltuend aufgefallen ist bei „Weiss & Morales“? Es gibt keine Love Story zwischen den beiden Ermittler*innen.
Ich finde das auch richtig gut. Als ich die Drehbücher gelesen habe, hatte ich die ganze Zeit Angst, dass es doch noch passiert. Weil man das so erwartet. Und dann war ich fertig und dachte: Habe ich jetzt was überlesen? Aber nein! Das ist die Handschrift von Portocabo Canarias, die schon mehrere Serien in diese Richtung geschrieben und produziert haben.
Das Vorhersehbare funktioniert natürlich sehr oft sehr gut. Aber es ist doch auch interessant zu zeigen, was passiert, wenn man das einfach weglässt. Das kann einen überraschen, und das gefällt mir. Es war tatsächlich auffällig, dass am Set, immer wenn neue Figuren dazu kamen, die zuerst gefragt haben, wann die Romanze zwischen den beiden denn nun passiert. Deswegen verstehe ich genau, was du meinst, diese Reaktion hatten so viele. Und es ist doch super, dass es mal nicht so ist.
Wir wissen natürlich nicht, wie es weitergehen könnte. Aber für den Moment ist es zwischen den Beiden so, wie es ist. Und das kreiert vielleicht auch mehr Spannung, als wenn sie eine Lovestory hätten.
Ich glaube aber, dass uns das durch Medien anerzogen wurde. Sobald es einen Mann und eine Frau gibt, könnte da was zwischen denen sein. Fraglich ist, warum das eher kein Thema ist, wenn es zwei Männer oder zwei Frauen sind. Und wieso man das überhaupt immer wieder so erzählt. Denn im Alltag fangen wir doch auch nicht alle was mit unseren Kolleg*innen an, nur weil wir beide vielleicht Single oder in einer kriselnden Beziehung sind.
Auf jeden Fall. Da geht die Frage, ob man nach Feierabend noch was trinken geht oder sich treffen will, auch nicht immer in die Richtung, dass man zusammen im Bett landet. Dass wir da so auf heteronormativen Paaren festgelegt sind, ist eigentlich auch nur eine weitere Schublade. Ich muss gestehen, ich ertappe mich ja auch dabei, dass ich das sofort erwarte. Dabei wäre es so schade gewesen, wenn es bei „Weiss & Morales“ so gekommen wäre. Ich finde nämlich, dass man auch ein bisschen vom Inhalt verliert, wenn es nur darum geht. Das ist eine große Ablenkung.
Deine Film-Mutter sorgt da eher für genau diese Spannung. Da haben wir eine ältere Frau, die mal mehr als drei Lover hatte und ganz frei formuliert, dass sie sich nicht mehr genau erinnern kann, wer denn der Vater von Nina ist. Und das wird überhaupt nicht problematisiert. Wie super ist das bitte?
Ja, endlich. Und ganz ehrlich auch: Why not? Wäre es ein Mann, würde das natürlich auch ganz anders dargestellt. Da wäre das viel einfacher. Aber so, wie die Rolle geschrieben wurde und wie Margarita sie auch gespielt hat, wirkt das ganz natürlich. Vielleicht ist es auch ein Problem, dass man sich selbst als Frau eher bewertet?
Das passiert hier nicht. Die anderen urteilen vielleicht schon mal, auch Nina macht das sicherlich, weil sie nicht verstehen kann, wie Margarethe nicht wissen kann, wer der Erzeuger des eigenen Kindes ist. Aber für sie waren ganz andere Dinge wichtig. Sie denkt da nicht mal drüber nach, wer es war. Das finde ich toll. Weil wir da etwas, das für die ganze Welt so ein Nonplusultra ist, der Wichtigkeit nehmen. Weil wir die Figur selbst entscheiden lassen, was für sie ganz persönlich wichtig ist. Diese Leichtigkeit hat mir sehr gefallen.
Ich kenne das aus dem realen Leben auch nicht so, aber ich respektiere das sehr, wenn jemand so gerade durchs Leben geht und entscheidet, wie sie selbst über sich urteilen lässt. Es stimmt ja, dass wir selbst in der Hand haben, wie andere über uns urteilen und denken, und ob wir das annehmen. Wenn wir Margarethe zugucken, dann können wir für uns überlegen, ob das wirklich so sein muss, wie wir das leben.

Es ist ja auch spannend, dass wir einem Mann eher zugestehen, nichts von einem Kind zu wissen, als anzuerkennen, dass auch eine Frau mit mehr als einem Mann geschlafen hat und sich nicht sicher ist, wer der Vater ihres Kindes ist. Da werft ihr mit eurem Krimi ein neues, spannendes Licht auf Mutterschaft.
Das freut mich zu hören, vielen Dank. Wir hatten auch extrem viel Spaß beim Drehen. Man sieht das auch ein bisschen in den Szenen, dass Margarita und ich off camera genauso gut miteinander umgegangen sind. Das war wirklich schön. Wir sind nach Drehschluss einfach sitzen geblieben, haben uns ein Eis geholt und uns die Haut verbrannt. [Sie lacht]
Deine Nina und ihre Mutter, die sind schon auch ein wildes Gespann. Wie grenzen wir uns denn gut von unseren Eltern ab?
Das habe ich mich tatsächlich auch oft gefragt, vor dem Projekt, währenddessen und danach auch. Es ist wahrscheinlich auch die eine Frage, die einen das ganze Leben begleitet. Vielleicht grenzen wir uns nie richtig ab? Es sind ja unsere Eltern …
Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Abgrenzung ein Stück weit leichter gelingt, wenn ich meine Eltern nicht mehr nur als meine Eltern sehe. Sie müssen in meinen Augen andere Menschen werden. Sie sind die Tochter oder der Sohn von jemandem, und sie sind auch die Eltern von meinem Bruder oder meiner Schwester. Damit kann ich mich gut verbinden, wenn ich mich daran erinnere, dass Eltern nicht nur Eltern sind, sondern eigenständige Menschen.

Bei Margarethe und Nina ist es natürlich ein bisschen anders, weil sie nicht immer die präsente Mutter war. Da gibt es einiges nachzuholen. Und auch das Elternthema ist ganz anders präsent. Margarethe ist eine sehr freie Frau, nicht nur eine sehr freie Mutter. Zwischen den beiden gibt es eine ganz andere Verbindung und dementsprechend auch eine ganz andere Trennung. Wenn ich so überlege, dann möchte ich mich aber auch nie ganz von meinen Eltern trennen. Natürlich ist das Abnabeln wichtig, aber sie sind ja auch die Menschen, von denen ich so viel gelernt habe. Wenn sie anfangen, auch von mir zu lernen oder mir das so mitzuteilen, dann werden es in meinen Augen diese anderen Menschen. Mit diesem Gedanken kann ich mich gut identifizieren.
„Weiss & Morales“ könnt ihr ab sofort in Web & App des ZDF anschauen. Hier könnt ihr auch einstellen, dass ihr die Serie im Original (mit deutschen Untertiteln) anschauen wollt. Die Folgen laufen vom 26.10.-09.11. 25 jeweils sonntags um 22:15 Uhr im ZDF.

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