Dass das Interview mit Jan Delay wirklich noch stattfinden würde, daran hab ich ehrlicherweise gar nicht mehr so richtig geglaubt. Es kam immer wieder was dazwischen, hat sich verschoben. Das passiert, ist aber natürlich trotzdem schade. Umso erfreuter war ich, als dann auf einmal mein Telefon klingelte. „Hallo, hier ist Jan“. Und zack, haben wir uns mitten rein begeben ins Gespräch und ja, auch eine gemeinsame Abneigung. Kann ja auch verbindend sein.
Grund fürs Interview: Jan Delay hat im neuen Kinofilm „Grand Prix of Europe“ die Synchronsprecherrolle von Papagei Enzo, einem Sportkommentator, der besagten Grand Prix sehr launig kommentiert, übernommen. So auf den Punkt war Jan dann auch im Interview. Und jetzt sagt ihr doch mal: Was ist denn eure Meinung zu Kindermusik und Kindermenükarten in Restaurants?
Ich fang mal, wenig charmant, mit ein bisschen Kritik an und bin auf deine Meinung gespannt. Denn was mich bei „Grand Prix of Europe“ schon gestört hat, war, dass Edda so als Fan von Ed dargestellt wurde. Klar, sie wird die coole Rennfahrerin, aber erst mal lernen wir sie nur als Fan kennen.
Jan Delay: Ich finde es erst mal nicht schlimm, dass sie da ein Fan ist. Es wäre doch viel schlimmer gewesen, wenn sie komplett in irgendwelchen Mädchen- oder Frauenklischees geblieben wäre. Dass sie da jetzt Fan ist, ist doch erst mal nichts Genderspezifisches.
Klar kann man sich da draufstürzen und sagen: Guck mal, der Typ ist der geile Held und das Mädchen himmelt ihn an! Aber ist das so verwerflich? Es ist eine 50:50-Chance, ob sie ihn nun anhimmelt, den Sport, Musik oder was auch immer. Die Geschichte wird halt von einem Mann oder einer Frau dominiert, und dann ist das 50:50. Das kann man, finde ich, niemandem zum Vorwurf machen.
Letztlich ist es doch eigentlich toll. Sie mag den Rennfahrer, das heißt, der Griff zum Schraubenzieher und zur Zange ist nicht weit. Es gibt eine Faszination fürs Schrauben an Motoren. In dem Moment sind wir dabei, dass die Klischees aufgebrochen werden. Ich hätte es viel schlimmer gefunden, wenn sie das alles nicht hat. Oder wenn sie den ganzen Tag in der Backstube steht und abends zum Häkelkurs geht. Keine Ahnung, so rosa Klischees halt.
Was macht für dich einen guten Kinderfilm aus?
Oh, das ist schwierig. Ich kann da jetzt keine Rezeptur nennen, nur das, was in meinen Augen und aus meinem Empfinden heraus das ist, was mich da als Kind angesprochen hat. Das war immer das, was auf eine ehrliche und authentische Art gezeigt wurde, nicht so ’ne Party.
Ich finde, es ist das Schlimmste, wenn Erwachsene „was für Kinder“ machen. Das gilt auch für Kindermusik. Das ist doch das Schlimmste! War es schon als Kind für mich. Ich habe immer gedacht: Wir sind doch nicht blöd! Wir wollen doch auch geile Musik hören!
Das ist so, wie wenn ein Erwachsener mit einem Kind spricht und die Stimme so komisch verstellt und fragt: „Na, wer bist du denn?“ Anstatt Kinder wie eine normale Person zu behandeln.
Es gibt ein paar Filme und Serien, die mich als Kind genau deswegen überhaupt nicht angesprochen haben. Du konntest mich auf ganz viele Arten und Weisen elektrisieren, mich in den Bann ziehen. Da musste halt Abenteuer, Spannung, Freundschaft drin sein.

Zum einen finde ich deine Antwort natürlich spannend, zum anderen frage ich, weil ich merke, dass es so zwei Lager gibt. Die einen sagen: Ich als Erwachsene*r will auch Spaß bei einem Kinderfilm haben. Die anderen sagen: Die Kinder stehen im Fokus, ganz egal, wie ich den nun finde. Wo stehst du?
Wir sprechen über Kinderfilme, dann geht’s ja wohl um die Kinder! Da müssen die Erwachsenen erst mal scheißegal sein. Aber ein guter Kinderfilm kann doch Erwachsene auch abholen. Das ist ja das Ding: In dem Moment, wo man sich denkt, ich mache hier irgendwas für irgendwen, dann ist es doch schon keine Kunst mehr! Jemand, der Kunst macht, der macht, was aus ihm rauskommt. Jemand, der sich hinsetzt und sagt: Ich mache hier etwas für jemanden, der macht eine Dienstleistung.
Es gibt Kinderfilme, die sind gute Kunst. Und die gefallen allen, weil es einfach gute Kunst ist. Nicht, weil sich jemand hingesetzt hat und gedacht hat: „Uh, wie mache ich das hier jetzt, damit das den anspricht …“ Das ist alles scheißegal.
Es geht um eine gute Geschichte, und die fasziniert alle, egal, ob vier oder 40. Das Geheimnis ist: Wenn du dich hinsetzt und dich anstrengst, um irgendwas Bestimmtes zu tun oder zu erreichen mit deiner Kreativität, dann wird das nichts.
Du willst also weg von dieser Zielgruppenansprache?
Es ist schon okay, dass es das gibt, diese ganzen bescheuerten Netflix- und Amazon-Kinderserien. Das ist alles Dienstleistung. Das ist wie McDonald’s. Das hat auch keinen Nährwert. Sobald da eine Faszination in dem Ding liegt, kriegen das alle mit, egal, wie alt sie sind.
Der beste Kinderfilm aller Zeiten ist „Thilda und die beste Band der Welt“*. Ich kenne den durch meine Tochter. Die hat den zufällig mit meinem Papa entdeckt, aber nur das Ende gesehen. Beide waren so geflasht davon, dass wir den dann gesucht und in der Mediathek gefunden haben. Sie hat ihn schon so 30-mal geguckt, und ich bestimmt auch vier-, fünfmal. Das ist einfach der geilste Film, und jeder, der den sieht, ist sofort fasziniert und verzaubert. Egal, wie alt er ist.
Hast du neben dem Filmtipp noch einen für Musik? Denn ich persönlich finde nichts schlimmer als Kindermusik. Ich höre bei dir jetzt raus, dass du eher kein Kindermusikalbum rausbringen wirst, richtig?
Never ever! Ich bin so stolz darauf, dass Kinder zu meinen Konzerten kommen, weil sie meine Musik und mich cool finden. Weil ich in denen genau das anzünde, was damals gute Musik bei mir angezündet hat, als ich klein war.
Ich mache mir da keinen Kopf darüber, wie ich das erreiche. Ich mache einfach das, was ich liebe. Und ich merke, dass diese Energie Leute genauso fasziniert wie mich früher. So muss das laufen. Man kann sich da nicht hinsetzen und sagen: „Jetzt mach ich da mal was.“ Dieser ganze Scheiß, „Dikka“ und wie die alle heißen, das ist das Schlimmste! Genau wie diese Kinder[menü]karten im Restaurant. Was soll der Scheiß?!
Ich finde, dass es für alle Gruppen und Gesellschaftsschichten Räume geben muss. Kinder sollen auch Räume haben. Aber ein Spielplatz muss Erwachsenen doch nicht gefallen.
„Grand Prix of Europe“ könnt ihr ab heute, 24. Juli 2025 im Kino anschauen.
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