Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher

Golo Euler: „Es gibt so viele Menschen, die irgendeine Macke haben und trotzdem im Herzen gut sind“

So, jetzt mal Hände hoch: Wie viele Liegestütze schafft ihr aus dem Stehgreif? Ich hülle hier dezent den Mantel des Schweigens über meine sehr geringe Zahl und will euch uns Mut machen, dass mit ein bisschen Motivation sehr viel möglich ist. Das Ergebnis von einer gewissen Grundfitness (well…) und 300 Liegestützen am Tag über zwei Monate könnt ihr euch ab sofort an Golo Euler in „Liebesbriefe an Jenny“ anschauen. Aber der Film lohnt nicht deswegen, sondern vor allem, weil er euch hoffentlich mit der Frage konfrontiert: Warum bewerten wir die Körper anderer Menschen eigentlich dauerhaft?

Und ja, das wirkt, als wäre das ein Interview über Sport und Körper, und die Themen kommen definitiv drin vor, aber es ist auch eins übers Entschuldigen, über Social Media und Freundschaften.

Gehen wir doch direkt rein, lieber Golo. Wie viele Liegestütze schaffst du im normalen Leben am Stück, ohne aus der Puste zu kommen?

Golo Euler: Vielleicht 30?

Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Der Grund für meine Frage ist natürlich diese Szene in „Liebesbriefe an Jenny“, in der du Liegestütze machst und dich noch locker-flockig unterhältst. Wie oft habt ihr die wiederholt und hast du je gedacht: Ich möchte bitte nicht mehr?

Ich erinnere mich daran noch sehr gut. [Er lacht] Wir haben das schon ein paar Mal machen müssen, aber ich habe mich ja für diesen Film gut vorbereitet. Dieses Mal stand meine physische Fitness im Vordergrund. Deswegen konnte ich diese Szene einigermaßen gut über die Runden bringen.

Dann reden wir doch mal über die Vorbereitungen. Es fällt ja schon auf, dass du in diesem Film extrem fit bist. Vielleicht sagst du jetzt auch: „Hör mal, Andrea, ich sehe immer so aus.“ Aber wenn nicht: Wie bist du an die Rolle rangegangen?

Nein, ich sehe natürlich nicht immer so aus. [Er lacht] Ich habe zwei Monate vor Drehbeginn mit meinem Programm angefangen. Ich habe meine Ernährung umgestellt, ganz viel Eiweiß und Kohlenhydrate gegessen und keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Ich habe mir einen Trainer genommen, der gesagt hat, ich soll 300 Liegestütze am Tag machen. Und das habe ich dann so gut es geht durchgezogen.

300 Liegestütze am Tag?

Das hört sich nach krass viel an, aber es geht. Man muss verstehen, dass es darum geht, die 300 Liegestütze am Tag zu machen, nicht am Stück. Ich habe über den Tag verteilt immer 50 Liegestütze gemacht, jeweils 25 und dann eine Pause, dann noch mal 25. Wenn man das sechs Mal am Tag macht, dann ist man bei 300. Das war’s.

Stefanie Reinsperger im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

So einfach geht’s also. [Sie lacht] Ich warte dann mal auf die ganzen Body-Transformation-Fotos der Leser*innen.

Der Anfang war natürlich schwer. Ich muss aber auch sagen, dass ich da nicht völlig unfit reingestartet bin. Ich mache sowieso einfach gern Sport, wenn auch nicht auf diesem Level. Am Ende stimmt es aber auch: Sturheit siegt.

Und wann wird’s zu stur und zu viel? Das Thema treibt deine Figur ja auch um.

Ich muss sagen, dass ich bereits bei den Vorbereitungen gemerkt habe, dass man da ganz schnell reinschlittert. Irgendwann dreht sich alles nur noch um die Fitness. Da geht’s nur noch darum, diese 300 Liegestütze am Tag unterzubringen. Ich habe während der Zeit auch andere Sachen gedreht, war viel unterwegs.

Da habe ich mich dann auf Behindertentoiletten im Flughafen wiedergefunden, weil ich da am besten Liegestütze machen konnte. Das waren Momente, in denen ich mich auch gefragt habe, was das für ein Leben ist.

Es ist ja auch klar, dass man, wenn man dieses Sportprogramm durchzieht, Ergebnisse erwartet. Und wie du richtig sagst: Wenn man die dann sieht, dann kann man nicht mehr an spiegelnden Flächen vorbeigehen, ohne sich selbst anzuschauen. Und dann wurde es mir auf jeden Fall zu nervig. [Er lacht]

Hast du von dem Training was beibehalten oder nach dem Ende der Dreharbeiten gesagt: Danke, das war’s?

Ich mache schon noch Liegestütze, aber natürlich nicht mehr 300 am Tag. Liegestütze sind einfach eine ganzkörperliche Übung, die du ohne Equipment überall machen kannst. Ich habe schon gern einen Körper, der in Arbeit ist. Das fühlt sich für mich besser an. Aber das Psychische, das bin ich sehr schnell wieder losgeworden.

Der Grund dafür war auch, dass ich danach einen Film gedreht habe, wo ich möglichst schlacksig wirken sollte. Da ging es mehr darum, dass ich mich möglichst wenig bewege. Deswegen bin ich dann nicht in die Gefahr geraten, dieses Workout und mein Spiegelbild großartig zu vermissen.

Klingt ein ganz kleines bisschen nach Christian Bale …

Ach du, das geht schon deutlich radikaler. Ich hatte ja zum Beispiel keinen Koch, der mir jeden Tag nur Brokkoli und Tilapia [einen Süßwasserfisch] vorgesetzt hat. Ich hatte auch keinen Personal Trainer, der morgens um 7 Uhr an der Tür geklingelt hat, um den Tag mit Sport zu beginnen. Da habe ich mich schon selbst drum gekümmert.

Aber es ist auch klar, dass wir von einem visuellen Medium sprechen und ich mir natürlich Mühe gebe, den Anforderungen an die Rolle gerecht zu werden.

Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Und hast du jetzt Blut geleckt und möchtest mehr Rollen dieser Art angehen? In einem Interview mit Oleg Tikhomirov haben wir auch über das Thema gesprochen, und er meinte, er möchte auch fit aussehen, um bestimmte Rollen zu bekommen.

Es ist leider so, und da sind wir dann auch wieder bei der Thematik des Films, dass sich bestimmte Körperbilder einfach besser verkaufen an das breite Publikum. Ich halte mich aber auch fit, weil ich 43 Jahre alt bin. Ich merke, wenn ich morgens aufstehe, dass ich mich besser fühle, wenn ich am Tag davor Sport gemacht habe.

Ich möchte meinen Körper so lange wie möglich benutzen. Nicht nur für mich, sondern auch für meine zwei Kinder, die meine Aufmerksamkeit brauchen. Die wollen, dass ich sie auf meinen Schultern durch die Gegend trage. Da war ich dann schon auch froh über die 300 Liegestütze am Tag, die das ermöglicht haben. [Er lacht]

Was mich an „Liebesbriefe an Jenny“ ein bisschen gestört hat, war die Darstellung von Stefanie Reinsperger in ihrer Rolle als Jenny als eine überproportional dicke Frau. Dabei denke ich, dass sie aussieht wie Millionen von Frauen.

Ja, das stimmt schon, da hast du recht.

Warum ist es überhaupt so wichtig, dass wir Körper immer noch thematisieren? Warum können wir als Gesellschaft das Aussehen und den Körper einer anderen Person nicht einfach unkommentiert lassen?

Das fragst du mich?

Ja klar. Ich erwarte ja keine wissenschaftlich fundierte Antwort, aber du wirst dir im Prozess des Filmens ja vielleicht dazu Gedanken gemacht haben.

Es ist eine gute Frage! Ich glaube, dass wir einander als Projektionsflächen nutzen und an den anderen dann Dinge entdecken, die wir entweder selbst gern hätten oder eben nicht. Das ist aber auch nur der Versuch einer Antwort, denn ich suche da genauso wie alle anderen auch. Vielleicht liegt es daran, dass der Körper das ist, was als Erstes sichtbar ist. Vielleicht wollen wir uns dann im gesellschaftlichen Gefüge einordnen und verorten? Eine richtig befriedigende Antwort kann ich dir auf die Frage leider nicht geben.

Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Boris Laewen

Du sagst, dass du fit sein willst und dich deswegen natürlich auch um deinen Körper kümmerst. Hast du so eine Idee davon, wie man sich gut in seinem Körper wohlfühlen kann?

Ich glaube, das fängt damit an, dass man auf seinen Körper hört. Der sagt dir ja, wenn etwas nicht stimmt, sei es durch Krankheiten oder kleine Zicken. Und dann fragt man vielleicht jemanden, der sich mit einer guten Körperarbeit auskennt. Alternativ kann man immer erst mal selbst versuchen hineinzuspüren und herauszufinden, was zu tun ist. Ein gutes Körpergefühl geht für mich damit einher, dass man sämtliche Verspannungen im Körper löst.

Aber am Hineinspüren scheitert es oft ja schon. Auch dein Timo macht das ja nicht.

Das stimmt. Aber man muss das versuchen so zu sehen, dass der Körper ein Haus ist. Und wenn darin was im Argen ist, dann wird das im Außen sichtbar und auch spürbar werden. Ich weiß auch, dass das Hineinspüren nicht immer so leicht ist. Und, dass es oft auch nicht reicht. Dass man schon auch noch auf andere Dinge hören muss. Aber ohne Reinspüren geht’s nicht.

Glaubst du, dass jüngere Männer sich jetzt ein Foto von dir aufhängen und darauf hintrainieren?

Nein! Ich habe jetzt zwei Monate ein bisschen aus dem Kessel gekeucht, um etwas darstellen zu können. Aber der echte Timo, der sieht ganz anders aus, das ist ein ganz anderes Niveau. Ich hoffe, dass ich die Fitnessintensität, mit der man so etwas betreiben muss, darstellen konnte. Denn so sieht es in vielen Fitnessstudios schon aus. Aber die Leute, die da trainieren, die sehen ganz anders aus als ich.

Wenn jemand mich zum Vorbild nehmen sollte, dann vielleicht eher als Motivation, um sich zu sagen: „Don’t stop here“. [Er lacht]

Du darfst auch nicht vergessen, dass der Kameramann und der Beleuchter da noch einiges rausgekitzelt haben. Und vor jedem Take habe ich noch Liegestütze gemacht.

Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Ich muss gestehen, ich habe mit deinem Timo schon auch gehadert. Der ist einfach nicht in der Lage, sich zu entschuldigen, wenn er Mist baut. Wie entschuldigt man sich denn richtig?

Was ist denn das hier für ein Interview? [Er lacht] Wie entschuldigt man sich richtig? Ich glaube, vor allem erst dann, wenn man verstanden hat, wofür man sich entschuldigt. Vorher geht das wahrscheinlich gar nicht.

Wärst du mit jemandem wie Timo befreundet?

Ich habe die verrücktesten Freunde. Wenn Timo mich in den wichtigen Situationen mit seinem Handeln überzeugen kann, dann wäre ich sicherlich mit ihm befreundet. Es gibt so viele Menschen, die irgendeine Macke haben und trotzdem im Herzen gut sind. Ich hoffe, dass ich auch im Herzen gut bin, und ich will auch nicht wissen, wie andere meine Macken manchmal wahrnehmen und das beurteilen. Der Sinn von Freundschaft ist doch, genau darüber hinwegzusehen, oder?

Was hältst du von Social Media und was ist ein gesunder Umgang damit? Denn das ist das Riesenthema unserer Zeit.

Vielleicht wäre der gesündeste Umgang damit überhaupt keiner. Aber das ist ja leider nicht realistisch. Ich habe einen konstanten Struggle mit genau deiner Frage. Wie gehe ich gut mit Social Media um? Ich habe oft nicht die Disziplin, Social Media nur als Marketing-Tool zu verwenden.

Ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder darauf hängen bleibe. Wenn ich mir das ausrechne, wie viel Zeit meines Lebens ich irgendwelchen Leuten dabei zugucke, wie sie im Wald Pilze sammeln oder sowas … Da kriege ich regelmäßig eine Sinnkrise. Dann lasse ich es eine Woche weg. Und dann habe ich mein Smartphone trotzdem wieder in der Hand.

Ich kann dir also keine Antwort auf die Frage geben, was der richtige Umgang ist. Wahrscheinlich werden Verhaltensforscher irgendwann herausfinden, was richtig ist und das dann per Gesetz der Gesellschaft aufzwingen müssen. Sonst verbringen wir einfach immer nur mehr Zeit an unseren Geräten.

„Liebesbrief an Jenny“ läuft am Sonntag, 30. November 2025, 20.15 Uhr im ZDF. Ab sofort könnt ihr den Film in Web und App des ZDF anschauen.


Kommentare

Eine Antwort zu „Golo Euler: „Es gibt so viele Menschen, die irgendeine Macke haben und trotzdem im Herzen gut sind““

  1. […] Spannenderweise war für mich der einzige Körper, über den ich nachgedacht habe, der von Timo, gespielt von Golo Euler. […]

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