Interview Max Giermann mit Andrea Zschocher zu Heidi

Max Giermann: „Zweifel sind für mich ein sehr großer Antrieb“

Ein Interview mit Max Giermann kann ganz sicher sehr sehr lustig sein. Und es ist auch nicht so, als hätten wir uns in dem Gespräch gelangweilt. Aber neben viele leichten Momenten, ging es auch um tiefere Themen, die die meisten von uns sicher kennen. Selbstzweifel, das Gefühl nicht gut genug zu sein, innere Antriebe und Motivationen.

Anlass fürs Interview war Max´neue Synchronsprecherrolle in „Heidi – Die Legende vom Luchs“. Er spricht darin den Bösewicht Schnaittinger, der seine ganz eigenen Pläne für das Dorf hat, zu dem auch Heidi und ihr Großvater gehören. Den Film könnt ihr ab sofort im Kino schauen. Bei den aktuellen Temperaturen sicher nicht die schlechteste Idee, immerhin ist es in den Bergen (die im Film, wie ich finde, eine große Rolle spielen) auch immer etwas frischer.

Max, was verbindest du mit Heidi?

Max Giermann: Mit „Heidi“ verbinde ich vor allem meine Kindheit. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meiner Schwester im Wohnzimmer saß und wir Anfang der 80er die Animeserie geschaut haben.  Dieses Mädchen, das die Alm runterrennt und die markante Musik haben sich mir eingebrannt. Das hat sofort nostalgische Erinnerungen geweckt. Ich bin jetzt wahrscheinlich in dem Alter, wo man sich besonders darüber freut, wenn sich solche Kreise schließen.

Mir ist aufgefallen, dass der Film zeitlich schwer einzuordnen ist – mal wirkt er modern, mal wie aus einer anderen Zeit. Ging es dir ähnlich?

Ich wusste auch gar nicht, wie alt die Original-Geschichte von „Heidi“ wirklich ist. Dass das Buch fast 150 Jahre alt ist, hat mich überrascht.

Ich habe dich in den letzten Jahren auch in einigen Kinderfilmen gesehen. Was reizt dich daran, Kinderfilme zu machen?

Ich finde das Arbeiten bei Kinderfilmen in der Regel angenehm, weil da nicht so viel künstlicher Überdruck drauf ist. Ich weiß, für wen ich die Filme mache, ich will Kinder unterhalten.

Gleichzeitig ist der Umgangston in den Projekten, bei denen Kinder mitwirken, ein anderer. Es ist ein bisschen unverkrampfter und herzlicher. Ich wünschte mir manchmal, dass das bei normalen Produktionen auch so wäre.

Wir Schauspielenden machen diesen Beruf, weil wir spielen wollen. Unsere Grundmotivation ist es, in Rollen zu schlüpfen, uns zu verkleiden und etwas zu verkörpern. Die kindgerechten Stoffe sind oft viel fantasievoller als das, was für Erwachsene produziert wird. Da geht es oft um Pseudonaturalismus und die Abbildung der Wirklichkeit. Das finde ich eher uninteressant.

Was gefällt dir denn speziell an „Heidi – Die Legende vom Luchs“ so gut?

Ich mag es, wenn Filme mal ein bisschen gegen den Zeitgeist gehen und mehr Ruhe ausstrahlen. Ich finde das wohltuend, denn man wird oft in Filmen mit Reizen überflutet. Ich mag, dass der Film mit relativ ruhigen Mitteln daherkommt. Ich habe das Gefühl – wie du auch sagst – dass man so eine Sehnsucht nach Zurückgezogenheit, nach Rückbesinnung und nach Natur bekommt, wenn man diesen Animationsfilm anschaut.

Was bedeutet Heimat für dich?

Heimat ist ein Gefühl der Geborgenheit. Was dieses Heimatgefühl auslöst, das kann ja ganz verschieden sein.

Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, ich habe keinen starken Heimatbegriff. Aber ich merke, dass es doch Orte gibt, an denen ich mich selber tiefer spüre als an anderen. Das ist dann vielleicht sowas wie Heimat. Heimat muss auch nicht der Kindheitsort sein. Es kann ein Ort sein, den man später entdeckt. Oder einer, an dem man noch nie war, wo man hinkommt und das Gefühl hat: Hier fühle ich mich plötzlich zu Hause.

Max Giermann im Interview mit Andrea Zschocher zu "HeidI"
© Leonine Studios

Im Film sind Heimat und Verwurzelung wichtige Themen. Dein Schnaittinger wirkt, im Gegensatz zu Heidi heimatlos.

Schnaittinger hat keine innere Ruhe, keinen Heimathafen. Er ist getrieben, erfolgsorientiert und sucht sein Glück im Außen, vor allem im Materiellen. Schnaittinger ist egoistisch und narzisstisch.

Dieses Streben danach, etwas zu erreichen, das war bei mir früher auch so. Ich wollte etwas bewegen, ich hatte diesen Ehrgeiz. Deswegen kann ich Schnaittinger schon auch ein bisschen verstehen.

Heidi ist das Gegenteil: mutig, unerschrocken, gibt nicht auf.

Kinder haben ihren eigenen Kopf und handeln intuitiv. Erwachsene verlieren dieses Gespür oft und lassen sich von äußeren Versprechungen blenden. Ich habe lange gedacht, Karriere sei das Wichtigste, musste aber lernen, dass das nicht stimmt.

Gut, jetzt hat aber auch nicht jede*r so eine Karriere hingelegt wie du.

Aber auch in meinem Leben sind viele Dinge nicht so geglückt, wie ich mir das vielleicht gewünscht hätte.

Interview Max Giermann mit Andrea Zschocher zu Heidi
© Leonine Studios

Es ist aber durchaus beeindruckend, was dir eben alles gelungen ist. Du schauspielerst, parodierst und du malst. Was inspiriert dich eigentlich? Und brauchst du unterschiedliche Inspirationen für deine unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksweisen?

Es ist nicht so, dass mir das immer alles so zufliegt. Ich finde, viel von der kreativen Arbeit hat auch mit Fleiß zu tun und damit, dass man sich zu etwas zwingt. Wenn ich weiß, ich möchte das machen, dann muss ich dem jetzt auch meine Zeit und Energie widmen, ohne dass da sofort etwas bei rumkommt. Es ist leider nicht so, dass die Inspiration andauernd sprießt.

Ich ziehe aber auch viel Kraft aus meiner Familie, Freundschaften und aus der Kunst anderer.

Deinen Punkt, dass man sich manchmal auch dazu zwingen muss, den finde ich elementar. Das wird oft vergessen, weil es einfach ist zu glauben, es fällt einem alles immer so zu.

Das ist beim Bücherschreiben ja wahrscheinlich auch so, dass es nicht durchgängig ein Prozess ist, bei dem immer alles fließt und sprudelt und sich ineinander fügt. Da gibt es vermutlich auch Durststrecken und Zweifel. [Ich sitze während des Interviews vor einem Buchregal, und Max Giermann und ich sprachen anfangs über meine Bücher, die in dem Regal zu sehen sind, Anm. d. Red.]

Zweifel sind für mich ein sehr großer Antrieb. Ich finde es nicht negativ, Dinge in Frage zu stellen. Mich hat das in meiner Arbeit als Parodist immer sehr viel weitergebracht.

Ich bin nicht der Typ, der dabei immer nur gute Laune hat und für den es total leicht und easy ist. Da sind auch viel Grübeln, Unsicherheit und schlaflose Nächte dabei. Das gehört dazu. Am Ende ist das Schöne, wie du sagst, dass die Leute das nicht sehen sollen. Die sollen das Gefühl haben, es wäre aus dem Ärmel geschüttelt, es wäre Magie. Aber es ist ein Handwerk.

Heidi – Die Legende vom Luchs könnt ihr ab sofort im Kino anschauen. Ihr könnt das, wenn ihr mögt, ruhig schon mit kleineren Kindern schauen. Das Luchsbaby ist super niedlich und natürlich gibt es ein bisschen Abenteuer, aber nichts, was die Jüngeren total aufregt. Mich persönlich hat eigentlich nur die Frommheit der Leute … irritiert.

Gestört wäre zuviel gesagt, aber ja, das fällt schon auf. Und wenn man in Berlin groß wird, hat man zum Christentum vielleicht einfach auch nicht die gleiche Verbindung wie in einer Kindheit im Bergdorf. Aaaaber, da Kinder sich aus Filmen eh genau das mitnehmen, was für sie wichtig ist und was ihnen gefällt, bin ich mir sicher, dass euer Nachwuchs und ihr eine gute Zeit im Kino haben werdet.


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