Mit Lilian Klebow über Schauspielerei und ihre Rolle Penny in SOKO Wien zu sprechen ist das eine. Ihren Blick auf Feminismus, auf Mutterschaft und auf Care Arbeit kennenzulernen, ist das andere. Beides hat sie mir in unserem Interview ermöglicht und ich habe mich sehr darüber gefreut.
Denn Themen wie diese diskutieren wir meiner Meinung nach viel zu selten. Oder wenn, dann nur unter Frauen, die eh schon darüber Bescheid wissen, sich Gedanken machen und individuelle Wege für ein strukturelles Problem suchen. Es lohnt doch aber, da viel mehr in der breiten Masse zu sprechen, viele Perspektiven aufzunehmen und so etwas für uns alle zum Positiven zu verändern. Oder wie seht ihr das?
Was magst du an deiner Penny am liebsten?
Lilian Klebow: Ich mag an ihr, dass sie ihre Emotionen zeigt. Das sollte man als Polizistin wahrscheinlich nicht immer tun. Ich mag Penny auch für die Fehler, die sie macht. Sie ist eine sehr gute Polizistin, aber sie ist tief drinnen ein Mensch, der Mitleid empfindet. Sie distanziert sich vielleicht ein bisschen zu wenig von ihrem Beruf, aber das kann ich nachvollziehen.
Ich mag auch, dass sie sehr viel mutiger ist als ich. Ich glaube, ich würde mich vieles, was sie tut, nicht trauen.
Schaust du dir Dinge bei ihr ab oder gibt es etwas, wo du sagst: Nein, so will ich auf gar keinen Fall sein?
Ich habe ihre Geschichte ja mitgeschrieben. Ich schreibe mir zu jeder Figur eine Biografie, wenn ich mir eine Rolle erarbeite. Eigentlich ist Pennys Leben nicht besonders lustig, und darum beneide ich sie gar nicht. Sie hat sowohl ihre Mutter verloren als auch keinen echten Lebenspartner, mit dem sie alles teilt. Diese Einsamkeit, das tut mir leid.
Ich habe aber auch überlegt, dass eine Polizistin, die ständig ihr Leben riskiert, vielleicht kein Kind haben kann. Diesen Punkt, ob sie ein Kind bekommt, habe ich mal mit unseren Autoren diskutiert, weil das ja eigentlich spannend wäre. Was würde sie dann tun? Sich in den Innendienst versetzen lassen? Wie gehen denn echte Polizistinnen damit um? Und Polizisten? Denn die Frage müsste gerechterweise ja an beide Geschlechter gehen.
Mich hat dieses Thema sehr beschäftigt, auch, weil ich selbst in der Zeit, in der ich Penny spiele, zweimal Mutter geworden bin. Eine der krassesten Folgen, die wir gemacht haben, hat jetzt elf Jahre später eine Fortsetzung bekommen. Da ziehe ich natürlich auch Parallelen zu meinem Kind. In der Folge geht es um einen Frauenmörder, der Penny entführt, und das geht mir nahe. Überhaupt schon der Begriff Frauenmörder. Von einem Männermörder sprechen wir nicht!
Den ersten Teil haben wir damals in einem Wald gedreht, das war dreieinhalb Monate nach der Geburt meiner Tochter. Da haben teilweise meine Beine beim Laufen gar nicht mitgespielt. Mir hat das eine völlig neue Perspektive ermöglicht. Ich war ja in mir sehr verletzlich und musste trotzdem diese harte Polizistin sein. Für mein Spiel war das natürlich spannend, weil ich ganz viele Sachen ausleben darf, die ich als Mutter anders machen würde.

Das ist doch aber genau der Vorteil deines Berufs, dass du in so viele verschiedene Rollen reinschlüpfen kannst. Ich würde gern noch mal auf deinen Gedanken zurückkommen, ob Polizist*innen Kinder haben und das vielleicht nur weniger publik machen, oder ob sie statistisch betrachtet wirklich weniger Eltern sind.
Es ist schon ein Beruf, der durch eigene Kinder krasser wird. Es gibt wahrscheinlich genügend Berufe, wo man, wenigstens nach außen hin, die Kinder im Berufsalltag besser nicht spürt. Das gilt auch für meinen Beruf. Als Schauspielerin gibt es keinen Mutterschaftsurlaub. Wenn du zum Drehen eingeplant bist, dann drehst du. Kein Drehplan kann umgeschmissen werden, weil dein Kind krank zu Hause ist. Das fand ich auch immer hart. Es gehört zum Job dazu, dass du für eine bestimmte Zeit gebucht bist und dann da sein musst.
Die Frage würde ich aber auch gern an die Gesellschaft stellen: Achten wir zu wenig darauf, wie es arbeitenden Eltern geht? Kinder gehören doch zu unserer Welt dazu. Aber wie sie dann betreut werden, wie Eltern Beruf und Familie in Einklang bringen, das bleibt ihr Problem. Ich finde das mittlerweile sehr problematisch. Wir müssen uns da als Gesellschaft verändern.
Ich habe als Mutter wahnsinnig viel von meinen Kindern lernen dürfen. Warum wird das eigentlich nicht auch mehr thematisiert?
Weil Kinder in der Gesellschaft eher unsichtbar sein sollen. Ich habe da irgendwann mit aufgehört, immer so zu tun, als wäre das der Fall. Wenn die Kinderbetreuung ausfällt, nehme ich die Kinder mit zu Interviews. Oder mein Mann nimmt sie zu seinem Job. Zwei Elternteile heißt im besten Fall ja auch geteilte Verantwortung, was die Care-Arbeit angeht.
Ich habe die Kinder auch immer mitgenommen. Ich war schon auf Bühnen, auf denen ich stehen wollte, weil es mir ein Anliegen war, und habe mir da mein Baby umgebunden. Das nimmt davon keinen Schaden, es hat geschlafen. Ich habe sie mitgenommen zu Jane Goodall, das fanden die Veranstalter und Jane super. Vielleicht interessiert sich meine Tochter deswegen heute auch für diese Themen. [Sie lacht]
Die Frage ist immer: Wie fängt das Gegenüber das auf, dass du dein Kind dabei hast? Wird das angenommen oder kritisiert? Ich habe zum Beispiel das Glück, meinen Aufenthaltsraum bei „SOKO Donau“ mit Martin Gruber zu teilen. Wir haben beide Kinder und sind da absolut cool mit. Alle, die in der Produktion Kinder haben, verstehen das. Aber genau das braucht es eben, das Verständnis.
Natürlich versucht die Produktionsfirma zu helfen, aber das Thema Schauspieler, Schauspielerinnen und Kinder müsste noch mehr in die Öffentlichkeit gerückt werden. Weil es so hart manchmal ist. Denn wie oft habe ich schon gehört, dass ich Ansprüche stelle, weil ich mich wehre und nicht alles hinnehmende. Ich mache das ja nicht nur für mich, sondern auch für die, die vielleicht noch keine Stimme haben. Wir Frauen müssen uns da zusammentun.
Es ist ein von Männern erfundenes Leben, in dem Frauen zu Hause geblieben sind und nur da gearbeitet haben. Heute dürfen wir den Spagat zwischen Mutterschaft und Arbeitswelt machen. Aber das ist noch immer keine Gleichberechtigung.

Was hält dich seit 20 Jahren bei der „SOKO Wien“?
Das Team! Als meine Kinder kleiner waren, gab es so viele Menschen, die mir geholfen haben. Andere Eltern, Babysitter … Du kennst das doch: Wenn du ein Problem gelöst hast, tauchen gleich fünf neue auf. Und du bist so erschöpft, dass du nur noch heulen möchtest. Wie oft mir da die Maskenbildnerin einen Kaffee rübergeschoben hat und gesagt hat: „Du hast geweint, alles gut, wir kriegen das wieder hin.“
Dafür will ich nach 20 Jahren auch gern hier Danke sagen. Denn die Produktionsfirma hat mich in all der Zeit unterstützt wo es ging. Ich bin immer noch dabei. Wenn andere gesagt haben, ich soll ans Theater, war ich dankbar für die Serie. Es ist ein Geschenk, in derselben Stadt spielen zu dürfen, in der deine Kinder leben. Das ist als Schauspielerin nicht selbstverständlich.
Ich habe großartige Geschichten bekommen, habe Dinge gespielt, die man als Schauspielerin im deutschsprachigen Raum nicht so oft bekommt. Ich konnte meine Ambitionen und Wünsche verwirklichen. Trotz all dem Spagat und der Erschöpfung, bin ich sehr dankbar und glücklich, Teil dieses Teams zu sein.
Gibt es etwas, das du deiner Penny auf ihrem Weg noch gönnen würdest?
Eine Beförderung! Und privates Glück. Ich glaube, sie ist zu sehr mit ihrem Beruf verheiratet. Sie ist gut in ihrem Job, aber da wartet niemand zu Hause auf sie. Ich wünsche ihr, dass sie Verbundenheit mit einem anderen Menschen erfährt.
Tatsächlich finde ich auch, dass diese toughen Frauen, wie auch Penny eine ist, nicht immer so ein gesundes Vorbild sind.
Das habe ich auch schon oft diskutiert. Man kann doch auch mal den Struggle zeigen. Meinen haben am Set doch alle gesehen. Wie ich da ständig am Telefon gehangen habe, um Sachen zu organisieren, damit die Kinder versorgt sind. Du bist mit Kindern auf andere Menschen angewiesen, musst die in dein Leben holen und dann aber auch koordinieren.
Mein Mann und ich haben keine fixen Arbeitszeiten, das war immer ein unglaublicher Aufwand. Ich habe gefühlt während des Drehs nichts anderes gemacht, als Texte zu lernen und Menschen zu koordinieren. Ich habe mich da nie wie die Mutter des Jahres gefühlt, sondern eher wie eine, die es nicht hinbekommt.
Um noch mal auf die Idee mit dem Kind für Penny zu kommen: Man müsste ja nicht mal das Kind zeigen. Man könnte ja nur ihre Seite, ihren Mehraufwand zeigen. Ich glaube, das sind so ganz kleine Sachen. Wenn die Zuschauer das sehen würden, würde ihnen auch bewusst werden, wie es anderen Menschen in ihrem Umfeld geht. Diese unsichtbare Arbeit sichtbar machen, ich habe das noch nirgendwo gesehen.
Wir haben da ja auch eine Vorbildfunktion. Wir sind z. B. eine rauchfreie Sendung, weil wir zum Feierabend laufen. Warum nicht auch eine alkoholfreie?
Du hast es gerade schon angesprochen, es ist einfach wahnsinnig anstrengend, da Vorreiterin zu sein. Da gilt man sofort als unbequem, als die, die eine Extrawurst braucht.
Das stimmt. Ich erinnere mich auch daran, wie anstrengend das war, als ich mein Buch „Reise zurück zu mir“* geschrieben habe. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich das geschafft habe. Ich habe geschrieben, während sie neben mir gesessen haben. Wir wissen ja alle, wie konzentriert man neben Kindern arbeiten kann. [Sie lacht]
Und trotzdem schaffen wir Frauen das alles. Es ist nur so wahnsinnig ermüdend. Du fängst drei Mal an zu denken, weil ständig jemand was will. Dann musst du die Kinder mit Mahlzeiten versorgen, vergisst dich selbst, musst trösten und schaffst kaum was.
Diese ganze Care-Arbeit gehört endlich bezahlt! Und sie sollte zum Bruttoinlandsprodukt gerechnet werden. Denn letztendlich haben wir Frauen es den Männern jahrelang ermöglicht zu arbeiten. Die Bedeutung davon wurde nur einfach nicht gesehen. Und jetzt arbeiten wir bis an den Rand der Erschöpfung. Ich habe in meinem Buch mal jeden Gedanken meines Mental Loads von 5:00 Uhr früh bis 14:00 Uhr am Nachmittag aufgeschrieben. Das waren 16 Seiten!
Dir muss ich das nicht erzählen, du weißt genau, dass Kinder unterschiedliche Persönlichkeiten haben, mit denen du dich auseinandersetzen musst. Du musst dich um sie und ihr Aufwachsen kümmern, um Kita und Schule und alles drum herum. Das ist so anstrengend. Und dann heißt es, du sollst dich im Urlaub eben erholen. Das ist der dümmste Euphemismus, den ich je gehört habe. Wie soll man sich im Urlaub mit Kindern denn erholen?
Wenn du die Kinder aus der Kita abholst, dann ist doch da kein Feierabend. Deine Erwerbsarbeit hat aufgehört, aber die Care-Arbeit ist da. Und das ist ein strukturelles Problem. Es wird nur suggeriert, dass es ein individuelles Problem ist. Früher haben Frauen all die Arbeit selbstverständlich zu Hause gemacht, gratis und ohne jede Absicherung. Heute ist es für die Volkswirtschaft von Interesse, dass auch Frauen arbeiten. Deswegen würde es mich brennend interessieren, wie das Bruttoinlandsprodukt von Ländern aussehen würde, wenn man all die Arbeitsleistung der Frauen dort miteinberechnet.

Jetzt sind vielleicht nicht alle Frauen so engagiert wie wir beide. Hast du einen Tipp für alle, die sich erst langsam mit dem Thema auseinandersetzen?
Wir müssen als Gesellschaft lernen, die Arbeit von Frauen aufzuwerten. Und ich glaube, dass irgendwann der Moment kommen wird, an dem Frauen kollektiv die Arbeit niederlegen. So wie im Film „Ein Tag ohne Frauen“?
Wir müssen auch verstehen, dass Feminismus nicht gegen Männer gerichtet ist. Feminismus ist für Männer, weil er dafür sorgt, diese ganzen fürchterlichen Strukturen, dieses Gegeneinander, Konkurrenz wittern, abzuschaffen. Auch Männer wollen nicht immer hart sein.
Wie suchst du inzwischen eigentlich deine Projekte aus?
Ich moderiere, habe den Buchclub und merke, dass es inzwischen einige Menschen gibt, die von sich aus schon daran denken, dass ich Kinder habe. Da wird mir dann gesagt, dass wir alles hinkriegen, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Da muss ich den Produktionen auch danken, weil das nicht selbstverständlich ist.
Du bist Ehrenbotschafterin vom Jane Goodall Institut. Was bedeutet dir das?
Ich habe in meinem Leben zwei großartige Frauen kennenlernen dürfen. Beide sind leider inzwischen verstorben. Betty Williams und Jane Goodall. Ich war als Botschafterin von beiden Frauen sehr inspiriert.
Als junge Frau war es Janes großer Traum, nach Afrika zu gehen und Forscherin zu werden. Als Mädchen hat ihr das natürlich niemand zugetraut, und dann ist sie eine der berühmtesten Wissenschaftlerinnen der Welt geworden. Sie hat ein beeindruckendes Leben. Und doch finde ich sie als Person am inspirierendsten.
Sie ist eine sanfte Rebellin. In Uganda, da war ich auch vor Ort, hat sie ein Jugendschutzprogramm, weil sie Jugendliche weltweit dazu ermächtigen will, ihre Ideen weiterzugeben. Es gibt insgesamt 36 Institute. Sie ist für viele Menschen ein Star und ist doch in ihrer Art das komplette Gegenteil. Sie mag das überhaupt nicht, so im Mittelpunkt zu stehen.
Sie ist nie laut, sondern weise, echt und ehrlich. Ich wünschte, Jane Goodall wäre Präsidentin der Welt gewesen. Wir alle, die BE JANE Community wird ihr Erbe weitertragen und für ihre Ziele kämpfen.
Die neuen Folgen „SOKO WIEN“ könnt ihr ab sofort immer freitags um 18:00 Uhr im ZDF anschauen. Alternativ findet ihr die Folgen auch in Web und App vom ZDF.
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