Wanja Mues im Interview mit Andrea Zschocher über Politik

Wanja Mues: „Wenn wir im Kleinen etwas verändern, dann kann es sich ins Große übertragen“

Das Interview mit Wanja Mues sollte sich natürlich eigentlich auch um die neuen Folgen von „Ein Fall für Zwei“ drehen. Aber stattdessen sind wir schon nach der ersten Frage bei einem ganz anderen Thema gelandet. Und nicht, dass ich damit sagen will, dass TV- Unterhaltung nicht auch wichtig ist, für die Zerstreung genauso wie fürs Erweitern des eigenen Weltbildes, aber das Thema Politik, an dem Wanja und ich uns festgebissen haben, war dann doch entscheidender.

Wie gehen wir damit um, dass auch unsere Gesellschaft sich immer mehr spaltet? Was können wir selbst aktiv dagegen tun? Und wann kann man eigentlich auch aufhören, miteinander zu reden? Alles wichtige Fragen, auf die Wanja Mues eine Antwort hat. Schreibt mir sehr gern eure Gedanken zum Thema.

Welche Eigenschaft magst du an deiner Figur Leo aus „Ein Fall für Zwei“ am liebsten und welche am wenigsten?

Wanja Mues: Ich mag, dass er manchmal schneller handelt, als er denkt. Ich selbst denke oft zu viel nach, bis der ursprüngliche Impuls verwässert ist. Gleichzeitig schützt Nachdenken natürlich auch davor, Fehler zu machen und sich durch zu schnelles Handel etwas kaputtzumachen.

Der Trick ist also im richtigen Moment den Absprung zu schaffen und vom Denken ins Handeln zu kommen?

Ja, schon. Wenn man stabil aufwächst und die richtigen Menschen um sich hat, lernt man auch, seinen Impulsen zu trauen. Oft hat man ein Bauchgefühl, ob jemand einem guttut oder nicht. Ich möchte auch gefallen, ich wünsche mir Frieden und substanzielle Gespräche, aber das ist mit manchen Leuten gar nicht möglich. Da zu vertrauen und Diskussionen, die ins Leere laufen, gar nicht erst zu führen,  das ist gesund.

Wenn mir z.B. jemand erzählt, dass Trump doch eigentlich gar nicht so schlecht ist, stoße ich an Grenzen. Wir können miteinander sprechen und wir können auch unterschiedliche Meinungen haben. Ich höre das gerne an, aber ich möchte dass man mir dann auch zuhört. Ich kann versuchen, jemanden mit dieser Haltung argumentativ zu überzeugen.Im besten Fall findet man dann eine gemeinsame Lösung. Sich mit Schwachsinn zuzuschütten, hilft keinem weiter.

Wanja Mues im Interview mit Andrea Zschocher über Politik
© ZDF / Daniel Dornhöfer.

Es fehlt in unserer Gesellschaft an Kompromissbereitschaft. Jede Seite will gewinnen, auch wenn es darum gar nicht geht. Im Leben geht es doch immer um Kompromisse, da niemand hundertprozentig seine Ziele durchsetzen kann.

Mit radikal antidemokratischen Kräften, egal ob die von links oder von rechts kommen, kann man keine Kompromisse finden. Wer eine dogmatische, antidemokratische Haltung hat, mit dem sollte man auch keine Kompromisse finden.

Stattdessen muss man diese Haltung entlarven und bloßstellen. Man muss sie in die Ecke stellen und ihr tristes Dasein fristen lassen. Das Problem ist: Diese Leute haben sehr oft ein Following, das sie durch Populismus und Lügen erreichen. Das merkt man jetzt immer mehr. Es wird dadurch noch schwerer zu differenzieren. Was ist die Wahrheit? Was ist eine Lüge? Was ist ein Fakt? Was ist KI? Was wurde bearbeitet und was stimmt wirklich? Da muss man immer genauer werden und nachfragen.

Die moderaten Demokraten aller Länder verharren meiner Meinung nach in ihrem Ansatz, allen zuhören zu wollen. Es gibt diese Idee, dass wir mit allen und allem klarkommen müssen. Ich sehe das anders. Man muss manchmal auch klare Grenzen setzen, die dann auch nicht überschritten werden dürfen. Nehmen wir doch mal Trump mit seinen Zöllen: Ich finde, es war ein Fehler, dass die EU sich auf diese Art und Weise geeinigt hat. Ich verstehe, dass es diese Angst gibt, dass die Wirtschaft drunter leidet, wenn es zu keiner Einigung kommt. Aber dafür muss es dann politische Lösungen geben. Das müssen wir als Europäer irgendwie zusammen hinkriegen.

Ich war in Amerika zum Studieren und verfolge natürlich immer noch, was da politisch passiert. Wenn Gavin Newsom [Gouverneur von Kalifornien] sagt, dass wir Feuer mit Feuer bekämpfen müssen, dann ist das sehr radikal. Aber irgendwo hat er ja auch recht. Wir können nicht immer auch die zweite Wange hinhalten, das geht bei diesen Leuten nicht. Sobald die an der Macht sind, und das steht bei uns möglicherweise auch bevor, sind wir verloren. Dann sind wir wirklich am Arsch.

Mir ist es wichtig, dass wir nicht den Populisten verfallen, egal von welcher Seite sie kommen. Denn wir sehen jetzt in den USA, wie die es schaffen, die Demokratie in einem Affentempo kurz vor den Exodus zu bringen.

Du sagst, dass man mit manchen Menschen nicht mehr reden kann, und ich verstehe, was du damit meinst. Gleichzeitig denke ich, muss man doch reden. Man muss die Menschen, die sich eventuell noch retten lassen, irgendwie erreichen.

Das, was ich sage, gilt für diese dogmatisch-antidemokratischen Kräfte, die wirklich das Ziel verfolgen, Demokratien und Frieden zu zerstören. Mit denen kann man nicht mehr reden. Das ist keine große Gruppe, wenn man jetzt die AfD als Beispiel nimmt. Ich habe mich mit verschiedenen Politikwissenschaftlern darüber unterhalten. Meiner Meinung nach sind von den 100 % AfD-Wählern höchstens 30 % Dogmaten. Das sind die, die ausgrenzen.

Die anderen 70 % sind auch für die AfD, aber das sind für mich die Lemminge, die Protestwähler. Das sind die Leute, die sich nicht abgeholt, nicht verstanden fühlen. Die, die finden, dass ihnen nicht zugehört wird. Und die muss man umleiten, da muss man Lösungen finden. Denen kann man sagen: „Ja klar, ihr habt recht in euren Zweifeln, was die Politik an sich angeht“. Wenn man sich z. B. die Sachen anschaut, die um Jens Spahn herum passieren, dann kann man an der Politik verzweifeln.

Wanja Mues im Interview mit Andrea Zschocher über Politik
© ZDF / Daniel Dornhöfer.

Aber was gibt es für die Menschen für Alternativen? Die Große Koalition, wie wir sie in Deutschland immer wieder haben, ist es ja wohl nicht.

Die kann ein Weg sein, wenn die Politiker sich einig werden und erstmal einen Plan vorgeben, um aus dem Sumpf rauszukommen. Den müssen sie dann auch gemeinsam verfolgen. So kann eine Barriere gegen Antidemokraten geschaffen werden. Wenn das geschafft ist, kann man wieder miteinander in Diskussionen gehen und unterschiedlicher Meinung sein. Aber erstmal muss es doch darum gehen, den demokratischen Gedanken zu schützen und zu retten.

Was tust du denn, um Demokratie aktiv mitzugestalten? Drüber reden ist immer wichtig, aber vielleicht hast du ja weitere Tipps?

Man kann auf Demos gehen, man kann Sachen teilen. Man kann sich Vereine aussuchen und die unterstützen. Sich weiterbilden, das ist das A und O. Gleichzeitig muss man sich auch eingestehen, dass man vieles zeitlich gar nicht schafft, weil es überall auf der Welt so viele Probleme gibt und man sich gar nicht für alles einsetzen kann.

Ich habe mir z.B. drei Vereine rausgesucht, die ich unterstütze. Die sind sehr unterschiedlicher Natur. Das ist einmal „Orang-Utans in Not“; da geht’s, wenn man so will, um eine Rettung der Welt durch die Rettung der Lunge der Welt. Die Orang-Utans als Sinnbild für den Menschen. Denn wenn ihnen der Lebensraum genommen wird, weil wir die Lunge der Welt in einem Affenzahn abholzen, dann sterben die Tiere aus. Und irgendwann auch wir. Der Regenwald wird im Amazonas, in Indonesien, auf Sumatra und Borneo abgeholzt. Das ist wirklich apokalyptisch, was da passiert. Ich habe mir das vor Ort angesehen. Es geht dabei nur um den Profit von großen Konzernen.

In Lübeck engagiere ich mich für die „Bücherpiraten“. Da geht’s um Kinder, die schreiben, die sich mit Literatur beschäftigen. Sie treffen sich, um sich Gedanken über den Zustand der Welt zu machen und miteinander im Gespräch zu bleiben. Das ist doch das Wichtigste: dass wir wieder miteinander reden und zuhören lernen.

Das versuche ich mit meinen eigenen Kindern, mit meinen Freunden und mit den Leuten um mich herum. Auch mit denen, die zum Teil andere Meinungen haben. Man kann zusammensitzen und das ausdiskutieren. Es ist doch gut für eine Freundschaft, wenn sie diese Unterschiede aushält.

Der dritte Verein ist „Hamburg macht Kinder gesund“. Da geht’s um Hilfe für die Schwächsten, für Kinder, die nichts dafür können, die im Stich gelassen werden mit seltenen Krankheiten. Da bin ich relativ neu engagiert. Was ich zeigen will: Man kann in seinem Umfeld immer etwas finden.

Wanja Mues im Interview mit Andrea Zschocher über Politik
© ZDF / Daniel Dornhöfer.

Kannst du dir vorstellen, mehr öffentliche Diskussionen zu bestreiten?

Ich bin jetzt nicht der politische Vordenker. Ich glaube, ich könnte in so einer Diskussion gar nicht richtig bestehen gegen die Leute, die einem jedes Wort im Mund umdrehen. Ich würde da vermutlich auch viel zu emotional werden. Das stört mich auch an der Politik.

 Ich weiß noch, wie ich mit 19 als „Promi“[Wanja setzt das Wort bewusst in Anführungszeichen] zu einer Podiumsdiskussion mit SPD-Vertretern in Hamburg eingeladen war. Ich glaube, es waren so sechs, sieben Leute auf der Bühne. Ich war der einzige Politikfremde, und da waren 300 Kinder und Jugendliche. Es ging, wenn ich das richtig erinnere, um die europäische Verfassung. Was ich von dem Abend mitgenommen habe, war, dass die damals schon so verklausuliert gesprochen haben, dass ich es irgendwann nicht mehr verstanden habe. Und das ist ja seitdem immer schlimmer geworden.

Ich habe es in die Runde dann gewagt zu sagen: „Sorry, ich bin total lost. Versteht ihr das?“ Alle haben die Köpfe geschüttelt. „Könnt ihr das vielleicht auch so formulieren, dass Leute, die sich dafür interessieren, die gekommen sind, um mitzureden, dass wir verstehen, was ihr da meint?“

Ich glaube, da fehlt vielen schon der Mut, das zu gestehen. Weil die Sorge vor dem vermeintlichen Gesichtsverlust zu groß ist. Ich wünsche mir deswegen z. B. auch immer einen Live-Faktencheck in Talkshows. Denn niemand kann alles wissen, und irgendwelche Behauptungen werden dann ohne Hinterfragen übernommen.

Solche Aussagen können auch aus dem Zusammenhang gerissen werden oder umgedeutet. Ein Live-Faktencheck wäre zumindest für die Öffentlich-Rechtlichen eine gute Idee. Aber es ist auch nicht ganz einfach, weil man genug Manpower braucht, die parallel Fakten checkt. Wenn da aber dann gesagt würde: „Wir müssen noch mal einhaken, das, was gerade gesagt wurde, da stimmt hinten und vorne nicht“, da würden Menschen sich auch dreimal überlegen, welchen Mist sie da so verbreiten.

Das Problem ist, dass man heute an den Pranger gestellt wird, wenn man auf der vermeintlich falschen Seite steht. Ich finde es spannend, wie wir uns die ganze Zeit, statt miteinander zu verbinden, um Dinge zu erreichen, so oft selbst zerfleischen.

Wir müssen miteinander sprechen und ein Bewusstsein schaffen. Wenn wir im Kleinen etwas verändern, dann kann es sich ins Große übertragen. Wenn wir sehen, wie Europa zum Teil gar nicht mehr miteinander klarkommt, ist das der falsche Weg. Es ist doch jetzt unsere Chance, den Weltenmächten Paroli zu bieten. Wenn wir das nicht tun, werden die Leute hoffnungslos und achten vor allem darauf, für sich selbst etwas anzuhäufen. Dann sind da Gedanken wie: „Bevor andere etwas bekommen, baue ich eine Grenze“. Das ist der falsche Weg.

Die neuen Folgen „Ein Fall für Zwei“ laufen ab dem 26. September im ZDF. Alternativ könnt ihr sie auch in der ZDF Mediathek anschauen.


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