Das obrige Zitat von Silvana Damm ist tatsächlich eine Herangehensweise ans Leben, die ich zu 100 % teile. Ich glaube nie, dass Inspiration oder Wissen etwas mit Status zu tun haben, wir müssen nur offen sein füreinander. Und ich hatte das große Glück, dass Silvana in unserem Interview sehr offen war (und reichlich Zeit mitgebracht hat).
Gestartet sind wir natürlich bei Cornwall, dem Fleckchen Erde, dass vielen Rosamunde Pilcher- Fans wie ein zweites Zuhause vorkommen dürfte. Mir war es eher unbekannt, ich glaube, ich bin nicht so ganz die Zielgruppe dieser Filme. Aber da wären wir ja wieder beim Ausgangszitat. Denn offen sein gilt unbedingt auch für Filme. Ich muss gestehen, dass „Wer immer du bist“ jetzt nicht so ganz mein Cup of tea war, was natürlich nicht an den Schauspielenden lag, sondern eher an den Figuren, die ich, wir ihr auch im Interview lesen könnt, nicht alle gleich überzeugend fand. Deswegen freue ich mich, wenn ihr mir nach dem Lesen des Interviews mit Silvana und dem Schauen des Films mal euer Feedback schickt.
Silvana, warst du schon mal in Cornwall?
Silvana Damm: Das ist tatsächlich ein bisschen verrückt: Ich habe nach dem Abi ein Auslandsjahr in Australien gemacht und bin da ganz viel gesurft. Und meine Surferfreunde, die ich in Australien kennengelernt habe, die kamen aus Newquay, genau dem Ort, an dem wir gedreht haben. Ich war da also schon mal vor Jahren zum Surfen und kannte mich da schon ein bisschen aus.
Das heißt, du hast auf den Drehort geschaut und gedacht: Oh krass, das kenne ich doch?!
Ja, das war cool. Ich wusste ja vorher, dass die „Rosamunde Pilcher“-Filme immer in der Gegend gedreht werden, aber dass es in meinem Fall in Newquay war, wusste ich nicht. Für mich hat sich da ein bisschen der Kreis geschlossen. Es war schön, nach einigen Jahren an diesen Ort zurückzukommen. Nach dem Abi habe ich den ja schon mal so ganz anders erlebt.
Hast du die alten Freundschaften wieder aufgenommen? Das fällt einem manchmal ja schwer, wenn da vielleicht sogar einige Zeit der Funkstille dabei ist.
Ich bin eine, die sich auch nach vielen Jahren noch bei Leuten meldet, wenn ich vor Ort bin. Manchmal bricht der Kontakt ab, aber das muss ja nicht immer etwas Persönliches bedeuten. Ich begegne Menschen immer mit Offenheit und denke mir: Wenn nichts Schlimmes passiert ist, dann kann ich mich doch auch melden. Leider waren meine Freunde während der Dreharbeiten unterwegs, deswegen haben wir uns dann leider nicht gesehen.

Du warst also zurück an diesem Ort. Wie war das für dich? Wie hast du es erlebt?
Ich hatte eine total schöne Zeit vor Ort, ich hatte mein Surfboard in meinem kleinen Häuschen und bin eigentlich jeden Tag nach Drehschluss im Wasser gewesen.
Cornwall ist grundsätzlich eher verregnet. Da gibt es jeden Tag Wechselwetter zwischen Regen und Sonne. Es war also nicht superwarm. Ich hätte gern mehr am Meer gedreht, das hat aber natürlich nicht zur Story gepasst. Denn die spielt ja viel in Gärten, also waren wir auch mehr in denen unterwegs. Das ist auch windgeschützter.
Ich persönlich bin ja ein totaler Fan von Wind im Haar. Das macht immer irgendwas mit mir. Aber bei Rosamunde Pilcher sind die Kostüme und auch die Charaktere immer ein bisschen geordneter. Da werden die Haare zurückgesteckt, da geht kein Wind durch. [Sie lacht]. Das macht eben aber auch den Charme des Formates aus, das so viele mögen.
Privat konntest du also ganz frei sein, die Haare wurden am nächsten Tag ja auch wieder gerichtet.
Klar, privat trage ich fast kein Make-up, ich mache nichts mit meinen Haaren. Ich bin die Person, die am Strand spazieren geht, mal in ein Café am Meer. Es gibt also schon einen Kontrast zwischen mir und meiner Rolle.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war selbst überrascht, dass ich für das Format vorgesehen wurde. Dieser Film war mein zweites Herzkino-Format, und ich bin eigentlich gar nicht so auf die romantischen Rollen aus. Mich ziehen im Spiel eher die tieferen Rollen an, die mit der dunklen Vergangenheit. Obwohl, wenn ich so drüber nachdenke: Meine Rolle hier muss ja auch das Erlebnis mit der Mutter verarbeiten. Da komme ich dann also wieder ins Spiel.
Was mir gut gefallen hat, war, dass deine Victoria nicht passiv auf jemanden wartet. Die nimmt ihr Leben in die Hand und das von ihrem Jon gleich noch dazu. Der hingegen hat mich in seiner Passivität schon aufgeregt. Deine Figur ist mit ihrem Leben völlig fein, die braucht den Mann nicht.
Für mich schloss sich da der Kreis zu den Rollen, die ich sonst kriege. Ich spiele häufig Frauen, die ihren eigenen Sinn haben. Das passt zu mir, ich bin selbst auch so. Ich bin sehr karriereorientiert. Da würden manche vielleicht sagen, dass das “untypisch” für Frauen ist. Ich persönlich glaube da nicht dran. Ich denke nicht, dass es so riesige Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Wir sind einfach alle Individuen mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften. Die sind dann stärker oder schwächer ausgeprägt, aber das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Ich bin jemand, die Ziele im Leben hat und wirklich darauf hinarbeitet. Manchmal mache ich da vielleicht auch zu wenig Pause. Das passt auch zu der Rolle im Film, die ist auch so. Sie ist sehr aktiv, lenkt sich von ihrer Trauer ab, indem sie ständig einem Projekt nachgeht. Das ist eine Art Verdrängungsmechanismus bei ihr, den sie am Ende auch realisieren muss.

Was macht für dich den Reiz der Pilcher-Filme aus?
Bevor ich selber Pilcher gedreht habe, hatte ich mit dem Format überhaupt nichts am Hut. Ich sehe mich da auch nicht als Zielgruppe. Viele Freundinnen meiner Mama sind totale Fans. Mich hat das total überrascht, dass da Menschen wirklich am Set vorbeikommen, weil sie so große Fans sind. Während meines Drehs tauchten da zweimal Menschen aus dem Nichts auf und wollten Autogramme.
Es ist ein Format, das sich in der Zielgruppe total bewährt hat. Ich habe ja schon gesagt, dass es da auch eine bestimmte Ästhetik gibt, die damit einhergeht. Die romantischen Geschichten und traumhaften Kulissen sind für viele eine willkommene Flucht aus der Realität – ein feelgood moment. Das macht den Reiz aus. Ich kenne viele ÄrztInnen, die Pilcher Filme schauen zum Beispiel.
Oleg [Tikhomirov, der im Film ihr Love Interest Jon spielt] und ich haben versucht, das Format ein bisschen aufzulockern, weil wir beide aus einer anderen Generation sind. Wir wollten natürlich nicht komplett aus dem Format ausbrechen, aber es etwas passgenauer für uns machen. Wenn ich arbeite, dann versuche ich, mich natürlich kreativ einzubringen, wenn man mir den Raum gibt. Es ist ja aber immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Menschen, von Regie, Redaktion, Drehbuch und ganz vielen anderen.
Ich wollte meiner Figur ein wenig mehr Tiefe verleihen, weil ich kein Fan von diesen immer lächelnden Frauenfiguren bin, die nie wütend sind, die nie aus der Haut fahren. So bin ich doch auch nicht.
Ich kenne auch keine Frau, die immer nur glücklich und zufrieden ist. Da möchte ich auch nicht so ein Bild erzeugen. Ich habe den Anspruch, die Frauenrollen, die ich spiele, so komplex darzustellen, wie ich sie wahrnehme. Am Ende entsteht durch das Zeigen von gewissen Stärken und auch Schwächen in der Tiefe ein dreidimensionaler Charakter.
Du hast gesagt, du bist sehr ambitioniert und hast viele Ziele. Welche sind das denn?
Ich arbeite nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Ich schreibe Drehbücher, führe Regie. Mit dem Schreiben hat bei mir alles angefangen, das habe ich schon vor dem Schauspiel gemacht. Ich werde oft gefragt, ob ich mich nicht mal für eine Sache entscheiden will. Für mich fließen diese ganzen kreativen Wege aber alle zusammen. Film ist für mich ein Medium, in dem ich mich in verschiedenen Formen ausdrücken will.
Aktuell schreibe ich an einer Serie und an einem Spielfilm, den ich hoffentlich in den nächsten Jahren umsetzen kann. Auf diese Art kann ich Geschichten erzählen, die mir am Herzen liegen. Ich kann die Meinung, die andere über mich haben, nicht beeinflussen. Aber ich kann meine eigenen Geschichten und Rollen schreiben, die nicht dieses typische Frauenbild sind, das wir immer noch zu häufig sehen. Da hat sich schon viel getan, aber es geht noch mehr.
Meine Frauenfiguren dürfen verletzlich und stark zugleich sein. Und das hängt nicht von körperlichen, sondern von inneren Merkmalen ab. Da gibt es keine Begrenzung oder Vereinfachung, die tragen Hemd und Sneakers, da muss niemand ein Kleidchen tragen. Ich möchte mehr nach Essenz statt nach Aussehen schauen. So entstehen komplexe und spannende Figuren mit Widersprüchen, eben so wie Menschen sind.
Eigentlich kommt es auf das Geschlecht auch gar nicht an, denn meine Geschichten drehen sich vor allem um das komplexe Menschliche. Es geht um verschiedene Charaktere, um Menschen mit Ecken und Kanten. Wir als Zuschauende verbinden uns doch mit einer Geschichte und authentischen Menschen. Da ist das Geschlecht für mich nicht so wichtig.
Was sagst du: Allein ins Kino gehen, yay oder nay?
Ich bin eine große Kinogängerin und ich gehe auch viel allein. Egal zu welcher Jahreszeit. Man kann diese großen Filme auf der Leinwand ganz anders erleben als zu Hause. Da ist man manchmal abgelenkt und kann sich nicht so gut auf den Film einlassen, wie man es macht, wenn man wirklich im Dunkeln sitzt und auf eine Leinwand schaut.
Ich bin sowieso eine totale Verfechterin davon, Dinge alleine zu machen. Ich habe natürlich auch meine Freund*innen, aber ich mag die Abwechslung. Ich hatte z. B. gerade einen Dreh in London für die „Wind of Change“-Produktion, die „Scorpions“-Verfilmung. Ich hatte dann fünf Tage frei und mir spontan einen Zug gebucht, weil ich Newquay so vermisst habe. Ich bin da hingefahren, habe mir wieder ein Surfbrett ausgeliehen, habe mich mit Leuten, die ich von der Pilcher-Produktion noch kannte, getroffen und hatte eine gute Zeit.
Allein reisen, das ist das Beste auf der Welt. Ich bin, wie gesagt, nach dem Abi auch allein nach Australien und war ein Jahr unterwegs. Das gibt einem so viel Kraft. Genauso wie allein essen zu gehen. Ich habe da überhaupt gar kein Problem mit.
Ich mache auch vieles sehr gern allein. Aber vielleicht kann man Dinge besser alleine tun, wenn man nicht einsam ist. Weil man sich dann aktiv dafür entschieden hat. Man müsste sie ja nicht allein tun. Es gibt ja einen Unterschied zwischen einsam und allein sein.
Ich glaube, dass das Alleinsein total wichtig für uns Kreative ist. Ich habe letztes Jahr ein Experiment gestartet. „Impulstage“ habe ich das genannt. Ich habe verschiedene Bücher gelesen, in denen es auch um Kreativität ging. Zum Beispiel „Big Magic“* von Elizabeth Gilbert. Da geht es darum, dass Kreativität wie eine externe Macht manchmal über uns kommt. Dass sozusagen dieser Genius von außen in den Körper kommt und aus einem heraussprudelt. Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber mir geht das oft so, dass ich das Gefühl habe, da bewegt sich was in mir und will auf einmal raus, ohne dass ich weiß, woher genau das jetzt kommt.
Das war auch schon immer so. Ich habe da immer diese, ich nenne es mal Anfälle, bekommen und musste dann auf einmal alles aufschreiben. Ich habe nur gemerkt: Je älter ich wurde und je stressiger mein Leben, je mehr Verantwortung ich bekam, desto mehr schlief diese sprudelnde Kreativität ein. Dabei helfen mir meine Impulstage. Da nehme ich mir einen Tag nur für mich, ohne Verpflichtungen und Verabredungen oder Dinge, die erledigt werden müssen. Wenn man das nicht leisten kann, reichen ja auch nur ein paar Stunden. Und dann guckt man, welchen Impuls man bekommt.
Ich habe festgestellt, dass mich der kreative Genius eher überkommt, wenn ich keinen Druck habe, keine Verpflichtung, etwas fertigzustellen. Da kommt mir die Idee für die erste Folge auch mal auf einer Fahrradtour. Das passiert bei mir durch dieses Alleinsein.
Deine Victoria lebt mit ihrem Vater zusammen. Ziemlich heikel, weil er zu jeder Lebensentscheidung eine Meinung hat. Wie bist du aufgewachsen?
Victoria arbeitet mit ihrem Vater zusammen, wohnt in einem Gewächshaus. Das war ein sehr besonderer Ort, er beherbergt u. a. eine der ältesten Pflanzen der Welt. Wenn man als erwachsene Frau in der Nähe der Eltern wohnt, muss man wohl Wege finden, wie man Abstand schaffen kann.
Ihr Vater mischt sich in ihre Partnerwahl schon auch ein, fragt sich, ob das jetzt der Richtige ist. Das kennen sicher viele aus dem eigenen Erleben. Ich hatte das Glück, das nie erleben zu müssen. Meine Eltern leben getrennt, aber die waren da immer sehr offen. Ich war gut in der Schule, das war wichtig, und das habe ich dann genutzt, um viele Freiheiten zu haben. Ich durfte abends lange feiern, es gab selten Kommentare zu meinen Beziehungen.

Das heißt, deine Eltern reden dir in deine Beziehungen nicht rein?
Naja, meine Mama kam mit 20 Jahren von Polen nach Deutschland und hat mich sehr geprägt. Sie wollte immer, dass ich mich nicht abhängig mache von einem Partner. Sie sagt: Leb dein eigenes Leben, verdien dein eigenes Geld, verlass dich bloß auf dich selbst. Das ist sehr modern.
Gleichzeitig muss man sich in einer Beziehung auch aufeinander verlassen und Vertrauen entwickeln. Da kann man nicht immer Angst haben, dass der andere wegläuft. Aber ich bin davon überzeugt, dass das Leben ein Fluss ist. Man kann Menschen und Dinge nicht krampfhaft festhalten oder deren Entscheidungen beeinflussen. Das geht nicht gut. Wenn man verlassen wird, dann wird man verlassen. Das ist ein Kapitel, das dann auch dazugehört, denke ich. Man kann sich nicht vor allem bewahren.
Deine Mama hat dir also auch viel Stärke mitgegeben. Gibt es Glaubenssätze, von denen du dich lösen musstest?
Wir alle bekommen von unseren Eltern verschiedene Glaubenssätze mit und müssen die dann später wieder auflösen. Louise Hay* sagt: „We are all victims of victims.“ Das stimmt. Wenn man sich das klarmacht, wenn man versteht, dass die Leute, die einen schlecht behandeln, so sind, weil sie auch Dinge erlebt haben, nimmt man sich das weniger zu Herzen.
Gerade in der Branche, in der ich mich befinde und über die du schreibst, ist das nicht einfach. Die Filmbranche ist wirklich hart. Ich liebe den Beruf der Schauspielerei, das kreative Arbeiten, das Geschichten entwickeln. Das ist das, wo es mich hinzieht, weil es so wunderschön ist.
Das Business selbst zieht mich überhaupt nicht an. Die Art, wie hier kommuniziert wird, wie man auch abgelehnt wird, macht es manchmal schwierig. Es gibt viele Vorurteile. Wenn man sich dann an den Satz „We are all victims of victims“ erinnert, dann kann man sich sagen: Diese Reaktion hat nichts mit mir zu tun. Vielleicht hat die Person am anderen Ende gerade etwas Blödes mit ihren Eltern oder dem oder der Vorgesetzten oder der Partnerin erlebt. Dann bezieht man das weniger auf sich. Manchmal hilft mir das.
Letzten Endes ist dieses ganze Star-Getue wahrscheinlich auch eher ein kapitalistischer Gedanke. Damit wird ja auch viel Geld gemacht. Die ganze Branche funktioniert so, dass Leute nach oben zu jemandem hinschauen. Dabei kann man sich von jedem Menschen Inspiration oder Wissen holen. Wenn man offen ist, kann man von jedem lernen.
„Rosamunde Pilcher: Wer immer du bist“ kommt am 14.09.2025 im ZDF. Ihr könnt den Film ab sofort auch in der ZDF Mediathek anschauen.
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