Die Vorzeichen für das Interview mit Oleg Tikhomirov waren nicht die besten, denn in Berlin waren Ferien, meine Kids sprangen durch die Gegend und bei Oleg sah es nicht viel anders aus. Den Struggle arbeitender Eltern kennen wir also beide und hatten genug Humor und Verständnis, uns ins Gespräch zu begeben und notfalls halt mal Pause zu machen um die Kids zu bespaßen. Nach fast zwei Stunden stellen wir (mal wieder) fest: Ununterbrochener Austausch zwischen Erwachsenen tut wirklich gut.
Der Grund fürs Interview war allerdings Olegs Rolle im Rosamunde Pilcher-Film „Wer immer du bist“. Wir sind aber von Rosamunde Pilcher dann relativ schnell bei (Klischee)Rollen, Traumrollen und Follower*innen gelandet. Macht es euch gemütlich, dieses Interview ist etwas länger, dafür lernt ihr Oleg Tikhomirov aber auch ein bisschen besser kennen.
Du spielst zum ersten Mal eine Hauptrolle bei „Rosamunde Pilcher“. Was glaubst du, macht für viele Zuschauende die Faszination dieser Reihe aus? Warum gucken die Menschen das gern?
Oleg Tikhomirov: Du kommst aus deinem Alltag raus. Wir kennen das doch auch beide: Sonntagabend, die Kinder sind endlich im Bett, da hast du vielleicht nicht die Lust auf einen Krimi. Die Reihe bietet dir die Möglichkeit, in eine Welt zu gucken, die schön ist. Es gibt immer ein Happy End, und das weißt du schon am Anfang. Es wird irgendwann ein Kuss kommen und das Paar wird zusammen sein. Das ist gesetzt.
Außerdem ist Cornwall auch einfach unfassbar schön, ich konnte das gar nicht glauben. Es ist sehr sinnlich, eine ganz eigene Welt. Da kann man sich so gut drin verlieren und von ihr träumen.
Ein weiterer Punkt ist auch, dass wir zwei Menschen dabei zusehen, wie sie sich ineinander verlieben. Ich bin seit 12 Jahren mit meiner Frau zusammen und noch immer wahnsinnig verknallt in sie. Sie hoffentlich auch in mich, aber es ändert sich ja etwas im Laufe der Beziehung. [Er lacht] Ganz am Anfang, wenn noch alles ungewiss ist, man nicht weiß, ob die andere Person einen gut findet, da ist doch jede Berührung noch total aufregend. Diese Zeit geht so schnell vorbei und kommt mit der Person dann auch nicht wieder. Sie ist aber so schön und besonders, dass wir das gern viel öfter hätten.
Nur gehen wir im Idealfall ja nicht los und suchen, obwohl wir in einer Beziehung sind, nach jemandem, mit dem wir das wieder erleben können. Wenn wir uns diesen Moment also zurückholen können, in dem wir solche Filme schauen, dann ist das doch was Schönes.
Ich liebe diese Art von Filmen, einer meiner Lieblingsfilme ist „The Notebook“*. Wenn du dir den anguckst, dann merkst du: Eigentlich ist das auch ein Pilcher-Film. Nur mit sehr viel mehr Geld und anderen Schauspielern. Sie sind da vielleicht noch ein bisschen mutiger, aber an sich passt der Film in die Reihe auch gut rein. Ich lese auch gerne mal ein Buch, bei dem ich denke: Mann, ist das kitschig. Aber gleichzeitig ist es irgendwie auch geil. Bei Rosamunde Pilcher ist das auch so.
Weißt du, was auch spannend ist: Wenn ich erzähle, ich habe mit Ron Howard gedreht, oder mit diesem oder jenem Schauspielkollegen, das interessiert Menschen nicht so sehr. Wenn ich von Rosamunde Pilcher spreche, dann springen alle im Dreieck und haben Nachfragen. [Er lacht]

Wie hast du die Zeit in Cornwall denn verbracht?
Ich möchte da unbedingt nochmal in den Sommerurlaub hinfahren. Ich habe während der Dreharbeiten surfen gelernt und war mit meiner Kollegin Silvana [Damm] und dem Kameramann Enzo [Brandner] dann surfen. Das wollte ich sowieso immer schon mal ausprobieren und es hat so viel Spaß gemacht.
War „Rosamunde Pilcher“ auch schauspielerisch eine neue Erfahrung für dich?
Ich komme aus einer etwas anderen Schauspielrichtung. Als ich das Drehbuch gelesen habe, fand ich das toll, dass ich ein anderes Rollenprofil ausprobieren konnte. Ich würde in dieser Richtung tatsächlich gern noch mehr arbeiten.
Ich habe bei den Dreharbeiten auch gelernt, dass es bei diesem Format bestimmte Regeln gibt, die erfüllt werden müssen. Da ist natürlich vieles larger than life, das gehört dazu. Ich hätte mir manchmal hier nur etwas mehr Mut gewünscht. Die Zuschauenden lassen sich doch auch gern mal überraschen. Niemand will, auch wenn man weiß, was einen erwartet, immer das Gleiche sehen. Es darf doch auch mal ein bisschen verrückter oder lebendiger sein. Mir wird das jedenfalls von Leuten aus allen Generationen bestätigt.
Bei Pilcher muss es etwas ernster zugehen. Da wird sich nicht gezofft oder mal mit Dingen geworfen. Das ist aber nicht das richtige Leben. Meine Frau und ich, wir zoffen uns ohne Ende. Aber immer mit Humor. Das macht es doch lebendig. Wir streiten nie spießig, bei uns ist sogar der Streit irgendwie geil und lebendig und von außen betrachtet sicher auch lustig. [Er lacht]
Ich muss gestehen, deine Figur Jon hat mich vor allem damit überrascht, dass sie so passiv war. Der lässt sein Leben von all diesen Frauen bestimmen, statt es selbst in die Hand zu nehmen. Was war denn da los?
Als ich das Drehbuch gelesen habe, dachte ich auch, dass es sich wie ein Krimi liest. Ich habe mich auch gefragt, warum meine Figur so agiert. Wir sind zwar bei „Rosamunde Pilcher“, aber auch da kann man ein bisschen Spannung reinbringen. Gemeinsam mit meinen tollen Kolleginnen Silvana und Jaëla [Probst] wollten wir Sachen weiterentwickeln. Wir haben uns super ergänzt, es gab viele Spielimpulse und Ideen. Wir wollten, dass auch meine Figur sich mal bewegen muss. Ich hätte dem schon gern mehr mitgegeben, als seine Dulligkeit, dass er da so durch sein Leben stolpert. Er setzt sich selbst für gar nichts ein, nicht für sich, für seine Liebe, für sein Leben. Leider war das so nicht vorgesehen.
Ich gestehe jedem seine künstlerische Freiheit zu. Es braucht immer Vertrauen ins Team am Set. Freiheit zu haben, bedeutet ja, Vertrauen zu haben in meine Fähigkeiten. Ich wünsche mir, dass die Leute, die am Anfang dieser Kette sind, viel mehr darauf vertrauen können, dass wir alle das Projekt nicht kaputt machen wollen. Wir wollen alle unseren kreativen Teil dazugeben, das gilt für alle Abteilungen.
Ich habe neulich einen Podcast mit Quentin Tarantino gehört. Er sagt, dass wenn er als Regisseur eine ganz konkrete Vision hat und diese gut an sein Team kommunizieren kann, dann muss er nicht allen auf die Finger schauen und alles kontrollieren. Die Kreativen gehen dann los und setzen seine Vision plus den eigenen Input um und da kommt dann das Beste bei raus. Es geht um Vision und Vertrauen – das würde ich mir im Deutschen Fernsehen auch so wünschen!

Dann lass uns doch mal ganz generell über Arbeitsbedingungen sprechen, die du brauchst, um gute Arbeit abzuliefern.
Ich mache mir über die Arbeitsprozesse beim Dreh viele Gedanken, hinterfrage mich selber auch viel. Habe ich was falsch verstanden? Habe ich an irgendeiner Stelle falsch gehandelt oder mich kreativ nicht verstanden gefühlt und reagiere deswegen auf eine bestimmte Art?
Ich möchte mich nicht kontrolliert fühlen. Ich brauche Vertrauen von den anderen. Ich kann mit Kritik umgehen, aber sie muss auf einer künstlerischen Ebene erfolgen, nicht auf einer privaten. Ich gebe dir mal ein Beispiel: Wenn ich eine Kritik bekomme wie: „Du bist zu groß“, dann muss ich verstehen, was damit gemeint ist. Geht es da um das rein Körperliche? Ich bin nun mal 1,90 m groß. Oder geht es darum, dass meine Figur zu viel Raum einnimmt? Ich bin da vielleicht sensibel, aber ich möchte, dass unterschieden wird zwischen mir als Mensch und meiner Figur, die ich da verkörpere.
Geht es um meine Körpergröße, kann ich zum Beispiel einen großen Schritt und bin dann ein Stück kleiner. Das ist kein Problem. Das kennen alle beim Film: kleinere KollegInnen stellen sich auf Apfelkisten, damit sie größer wirken, ich mache mich eben mit einem Spagat kleiner. So ein Film ist ja eine einzige Lüge. Wenn die Absprachen charmant und auf Augenhöhe geschehen, dann ist das alles ja auch kein Problem.
Ich war am Volkstheater in München, da hatte ich mit Christian Stückl, dem Intendanten, einen tollen Chef. Ich habe es geliebt, mit ihm zu proben, weil er Kritik immer so verpackt hat, dass sie nie gegen dich persönlich ging. Es war nie schlecht, was du gemacht hast, es ging immer um die Figur, um das Stück. Das macht einen so frei, weil es nie ein persönlicher Angriff war. Wenn Kritik so geäußert wird, dann kann ich damit umgehen. Dann kann ich alles anbieten und der andere kann sagen: Mach mal so oder so. Weil ich nie als Person selbst gemeint bin.
Ich finde, Schauspieler sind oft sehr fragile Wesen. Ich jedenfalls habe oft das Gefühl, dass ich mich angegriffen fühle als Person, wenn Kritik so persönlich daherkommt.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei mir: Ich gucke mir ungern Sachen von mir an, wenn sie fertig sind. Das ist nicht so meins. Ich gucke lieber am Set während der Arbeit mal einen Replay. Da sehe ich Sachen, die ich dann beim nächsten Take anders machen möchte. Ich kann mich sehr gut selbst korrigieren, weil ich eine gute Wahrnehmung habe. Ich möchte ja gute Arbeit machen und am Ende ein stimmiges Gesamtbild abgeben.
Es gibt Sachen, die man im Spiel macht, die in der Kamera einfach nicht so gut aussehen. Für mich ist dieses kurz mal Draufschauen während des Drehs dann wie ein Spiegel. Ich sehe, was ich da tue, und kann dann einschätzen, ob ich vielleicht eine völlig falsche Wirkung erzeuge. Oder mich auch einfach sehr unvorteilhaft während eines Gesprächs an der Nase kratze.
Hast du weitere Hilfestellungen, die dich am Filmset unterstützen?
Ich arbeite mit einem tollen Schauspielcoach zusammen. Da geht es nicht immer nur um so spielerische Sachen, sondern oft auch darum, wie man sich und seine Figur am Set verteidigt und seine Grenzen wahrt. Dann, wenn man nicht so gut miteinander klarkommt, lasse ich mich von meinem Coach unterstützen. Wir tauschen uns aus und schauen, wie ich mit den Differenzen umgehen kann.
Mit manchen Personen kann man in den künstlerischen Streit gehen, mit manchen nicht. Ich will mich am Set nicht streiten, mir geht es immer um den Inhalt. Ich will das Beste aus meiner Rolle rausholen, meine spielerischen Impulse und die der anderen Schauspielkolleg*innen umsetzen. Es ist doch okay, seine Vorstellungen zu verteidigen, solange das Gegenüber offen ist und noch ein Austausch stattfindet. Es darf, finde ich, nie persönlich werden. Mir ist bewusst, dass ich, wie alle anderen am Set auch, für die Stimmung mitverantwortlich bin. Mit meinem Coach lerne ich, was in solchen Momenten gute Strategien für mich sein können.
Es gibt aber auch Sets, da brauche ich gar kein Coaching, weil alles so super funktioniert. Die Arbeit mit Tom Tykwer zum Beispiel war fantastisch. Da war so viel Freiheit und ich habe mich so wohlgefühlt.
Ich habe viele verschiedene Kollegen an vielen verschiedenen Punkten ihrer Karriere kennenlernen dürfen. Meine Erkenntnis ist schon auch: Je nachdem, wo man sich in seiner Karriere befindet, hat man unterschiedliche Hebel.
Wenn ein Regisseur zu Jürgen Vogel, den ich sehr schätze, sagt: „Jürgen, mach doch mal so“, dann stellt er sich da hin und sagt: „Nee, mach ich nicht, weil so und so.“ Ich selbst komme da an Grenzen und versuche, zu kämpfen. Aber man muss sich auch überlegen, wie viel Kampf in Ordnung ist, wie sehr man sich aus dem Fenster lehnen will.
Lass uns mal über deine Filme sprechen. Wir halten fest, dass du ein großes Interesse daran hast, verschiedene Rollen zu spielen. Und doch habe ich dich bisher eher in Klischeerollen gesehen, die irgendwie auch gar nicht so zu dir zu passen scheinen.
Das stimmt, ich habe bisher viele Kriminelle gespielt. Und das waren auch keine Mads-Mikkelsen-Typen, sondern so Zuspieler-Kriminelle. Es gab eine Zeit, wo ich auf meine Vita geguckt habe und dann standen da nur „Juri“, „Jaroslav“, „Kiril“ und „Dimitri“. Natürlich habe ich da gedacht, dass die Leute langsam verstehen sollten, dass ich mehr kann als das. Ich habe auch wirklich lange die Frage gehört, ob ich fließend Deutsch spreche. Dabei habe ich da schon lange am Theater gearbeitet.
Diese ganzen Rollen als Krimineller, die haben überhaupt nichts mit meinem Leben zu tun. Ich bin Familienvater, ich mache ganz andere Sachen. [Er lacht] Für mich ist das echt harte Arbeit, ich muss mir jedes Mal eine Figur bauen. Ich kann da auf nichts aus mir selbst zurückgreifen. Ich bin Oleg, ich muss mich da spielerisch in einen von diesen Zwei-Satz-Russen reinarbeiten und mich im Spiel sehr verändern.
Ich habe im Kölner und im Stuttgarter „Tatort“ mitgespielt, und die wurden beide recht zeitnah nacheinander ausgestrahlt. Beim Stuttgarter „Tatort“ habe ich richtig viel an der Figur gearbeitet, weil die so, wie sie geschrieben war, für mich nicht stimmig war. Das war ein inkonsequentes Krimineller-Klischee. Da bin ich mit meinem Coach rangegangen, habe erarbeitet, was die Figur braucht, damit sie konsequent ist. Ich wollte nicht, dass die Zuschauenden den am Ende unlogisch finden oder vielleicht denken, dass der nicht so gefährlich ist, wie getan wird.
Für mich gehörte deswegen dazu, den wirklich richtig böse anzulegen. Das musste ich am Set diskutieren. Ich habe die Hälfte meines Textes gestrichen, mit der Kostümbildnerin nach einem neuen Kostüm gesucht. Ich konnte mit Argumenten belegen, warum meine Figur solche Sachen nicht anziehen würde. Es geht ja nicht darum, dass ich als Oleg sage, dass mir die Klamotten nicht gefallen. Mir ist das privat doch egal. Ich denke aus der Figur heraus. Und wenn mir da nichts argumentativ entgegengehalten wird, dann kämpfe ich für meine Vision der Figur.
Am Ende ist sie wirklich so geworden, wie ich sie haben wollte. Der Typ ist einfach wirklich ein Arsch, der erklärt, wenn er jemanden verprügelt, nicht, warum er das macht. Der schlägt einfach zu. Überleg doch mal, wie viele Täter da draußen rumlaufen, die genau so sind. Die Dramaturgie ist da auf meiner Seite, weil ich zeigen wollte, dass solche Leute existieren. So verstehen die Zuschauenden doch auch, wogegen man kämpft. Dafür muss es diese Härte geben.
Man muss zeigen, dass es Menschen gibt, die nachtreten, wenn jemand am Boden liegt, die noch mal draufspucken. Solche Leute erklären nichts, die hauen dir direkt aufs Maul. Das darf man nicht abschwächen, denn damit verharmlost man die wirklich schlimmen Menschen die da draußen rumlaufen und nimmt, dramaturgisch gesehen, den anderen Figuren die Fallhöhe.
Meine Figur da war jemand, der über Leichen geht, und genauso wollte ich den spielen, damit das im Film stimmig ist. Ich finde, das ist wirklich gut geworden und wurde in der Presse auch so aufgenommen. Gerade auch durch die Verbindung mit dem zweiten „Tatort“, weil man dann gesehen hat, dass ich zwei super unterschiedliche Figuren gespielt habe. Wäre das nicht so nah beieinander ausgestrahlt worden, die Leute hätten es vermutlich nicht gemerkt. Ich bin sehr dankbar, dass man mittlerweile meine Wandelbarkeit bemerkt.

Apropos Wandelbarkeit, was wäre eine Traumrolle für dich? Was würdest du gern spielen?
Es gibt erstmal nichts, was ich mir nicht vorstellen kann. Es kommt immer auf die Geschichte an. Wenn die spannend ist, dann bin ich interessiert. Es kann aber passieren, dass ich dann beim Casting feststelle, dass ich das doch nicht bin, dass da ein ganz anderer Typ gebraucht wird. Ich will mich nicht in etwas reinpressen, was für beide Seiten nicht passt. Wir sprachen ja schon über die Klischee-Russen. Die muss ich nicht unbedingt spielen. Aber so einen gut geschriebenen Ganoven oder einen richtig fiesen Bösewicht, den würde ich schon spielen wollen.
Ich darf noch nicht zu viel verraten, aber ich habe gerade einen Dreh für eine richtig tolle Serie gehabt. Meine Figur, auch wieder ein Russe, hat da nur kurze Auftritte, aber ich habe so viele Freiheiten bekommen, konnte vieles anbieten. Das war eine tolle Erfahrung, gesagt zu bekommen: Spiel die Rolle, wie du willst. Wir wissen, dass du sie verstanden hast, mach diese kleine Rolle gern riesengroß. Da habe ich richtig Vollgas gegeben, auch beim Kostüm. Diese Freiheit, die wünsche ich mir mehr bei Projekten. Dann macht es auch Spaß, da voll ins Klischee reinzugehen.
Wovon ich tatsächlich träume, wäre eine Figur, bei der ich auf einem Pferd sitze und mit einem Schwert arbeiten kann. Diese sehr epischen Sachen, die in einer anderen Realität spielen als unserer. Ich glaube, ich wäre ein guter Typ für so was. Denn die Realität zu spielen, alltägliche Beziehungen zu zeigen, das fällt mir manchmal schwer. Das hat vielleicht etwas damit zu tun, dass ich vom Theater komme, ich funktioniere besser, je mehr Kostüm man mir gibt. Ich fühle mich da freier im Spiel.
So etwas wie „Herr der Ringe“* oder auch Science-Fiction, das wäre mein Traum. Ich bin ein riesiger „Star Trek“*-Fan, da mal mitzuspielen, ist ein weiterer Traum. Bei Figuren die so weit weg von uns sind, bin ich frei, weil ich alles sein kann.
Wenn du von solchen Rollen sprichst, dann sind das Hauptrollen, oder?
Ich stelle mir immer wieder die Frage, was ich von meiner Branche eigentlich will. Will ich, dass jemand mir einen Job anbietet und ich dann der Letzte in der Kette bin und dankbar sein muss, dass ich spielen kann? Oder will ich mehr bewegen?
Mein Ziel ist es, wegzukommen von diesen Zuspielerrollen. Von den Figuren, die nur eine Funktion erfüllen, aber selbst nicht so richtig mitmischen. Ich will keine Figur spielen, die in der Geschichte gar nichts bewirkt, die sie nicht voranbringt. Ich will in den Hauptcast, zu Figuren, die etwas verändern oder bewirken, die über einen längeren Zeitraum eine Geschichte erzählen. Dazu muss ich noch sagen, dass spannende Figuren auch nicht immer mit der Rollengröße zu tun haben. Aber eben oft.
Lass uns doch mal über die Arbeitsbedingungen von Schauspielenden reden. Denn ich denke oft, dass viele Menschen eine verquere Vorstellung davon haben, was es bedeutet, Schauspieler zu sein.
Wenn du der Hauptcast oder die Hauptrolle, der Star der Show bist, dann hast du verschiedene Hebel. Dann probst du so ein Projekt auch, bevor es losgeht, kannst vielleicht auch am Drehbuch mitarbeiten. Aber 99 % der Schauspielerinnen und Schauspieler spielen kleinere Rollen, Zuspielerrollen. Da kommt man teilweise nach Monaten mal für ein paar Tage dazu und ist auch nur ein paar Tage dabei. Ich habe z. B. jetzt einen Drehtag im Mai gehabt, und der nächste ist im Oktober. Dazwischen passieren 100 Millionen Sachen.
Wenn du so sporadisch dabei bist, versuchst du, dein Bestes zu geben. Aber du sitzt nicht nachher im Schnittraum oder bei den Besprechungen dabei. Wenn du Glück hast, darfst du zur Leseprobe. Dafür muss deine Rolle aber schon groß genug sein, dass sie dich beim Lesen dabei haben wollen.
Sonst kommst du ans Set und machst, was andere sich überlegt haben. Du musst verstehen: Du bist der Allerletzte, der sich über die Rolle Gedanken macht. Das haben vorher schon viele Menschen getan. Die haben darüber geredet, die haben sie geschrieben, die haben vielleicht schon die Kamera eingerichtet. Da wird von dir nur noch erwartet, dass du dich hinstellst, deine Rolle spielst und wieder gehst. Du kannst versuchen, dir da etwas Freiheit zu schaffen. Es kommt aber auf die Regie, Redaktion an, ob du diese Freiheit bekommst.
Ich will zukünftig lieber der Kommissar sein, der rausgeht zum Ermitteln. Ich bin kein Schreibtischtyp, ich bin der, der Türen eintritt. Das passt von meiner Physiognomie und das ist das, was mir Spaß macht. Ich bin der Typ mit der Waffe, der reinrennt und Leute rettet. Oder der mit dem Schwert kämpft. Das sind Sachen, wo ich dann eine Energie anzapfe, das war auch auf der Bühne schon so.

Apropos Physiognomie, wirst du je auf dein Aussehen reduziert? Du bist sehr durchtrainiert, postest auch mal oberkörperfreie Fotos von dir auf Insta. Ist Thirst Trap ein Thema für dich?
Nein, tatsächlich gar nicht. Oder zumindest nicht so, dass es mir ein komisches Gefühl gegeben hätte. Ich bin groß, ich mache Sport, und wenn ich mein T-Shirt ausziehe, sind da Muskeln drunter. Ich verstehe also an sich, worauf du hinauswillst. Aber ich werde nicht permanent von Leuten angehalten, die mich bitten, dass ich mein Shirt ausziehe. [Er lacht]
Es gibt Leute, die sehr stark mit ihrem Aussehen arbeiten. Ehrlicherweise würde ich das gern mehr tun. Ich würde gern richtig gut sexy spielen können, um auch mehr von diesen Rollen zu bedienen. Bisher habe ich das kaum gemacht. Ich habe eher immer Rollen gespielt, die nicht so gut aussahen, sondern ehrlicherweise eher unvorteilhaft. Ich würde gern in die andere Richtung gehen.
Ich habe da mit meinem Schauspielcoach auch drüber gesprochen. Das klingt bestimmt ein bisschen doof, wenn ich das jetzt so wiedergebe, aber er meinte zu mir, dass es bei vielen gut aussehenden Schauspielern so ist, dass die eher versuchen, unsexy Figuren zu spielen. Dass wir eher nicht damit arbeiten, dass wir gut aussehen. Ich will, wie andere auch, dass die Leute mich für mein Spiel, für meine Figuren toll finden. Der Rat meines Coaches: Sei doch erst mal einfach ein bisschen sexy und arbeite damit. Es gibt ja Figuren, bei denen das gut funktioniert. Und anschließend kann man darüber auch andere Sachen erzählen.
Ein Teil der Wahrheit ist auch ganz einfach der: Ich war früher immer der dünne, lange Teenie, und in der Schule hieß es ab und zu, ich sei schwach. Da habe ich angefangen zu trainieren. Jetzt sind Sport und eine gewisse Form von Körperkultur für mich mit Stolz verbunden und dienen mir auch als Ventil und Ausgleich für die Psyche. Es ist viel Arbeit, die ich über viele Jahre hineingesteckt habe. Ich bin stolz darauf und ok damit, das zu zeigen.
Wie ist deine Einstellung zu Instagram eigentlich generell?
Das ist ein spannendes Thema! Einerseits sehe ich da Vorteile, ich folge Menschen, die ich ewig nicht gesehen habe, und habe das Gefühl, dass ich ein Teil von ihrem Leben bin. Gleichzeitig frage ich mich natürlich, wozu ich das eigentlich überhaupt mache. Denn ich habe keine zwei Millionen Follower, der Benefit, dass mich jemand nur wegen meiner Followerschaft besetzen wird, den habe ich nicht.
Ich habe für mich entschieden, dass alles, was ich poste, einen Zweck haben soll. Mir folgen Regisseure, Produktionsfirmen, und ich folge denen. Ich stelle also Bilder von mir ein, die mich und meine Arbeit zeigen. Das können Pressesachen sein, Filmankündigungen, Fotos vom Set oder Filmfestivals. Dann sehen Leute, was ich mache und auch, wie ich aussehe. Du hattest ja nach den Fotos ohne T-Shirt gefragt. Die haben auch den Zweck, dass jemand sieht: Der ist sportlich, der boxt … Wenn also jemand gerade auf der Suche nach genau so einem Typen für eine Rolle ist, dann denkt er vielleicht eher an mich.
Ob das wirklich was bringt, kann ich nicht sagen. Ich bekomme das Feedback, dass ich mich nicht verstecken muss, also nutze ich das. Ich bin nicht der Typ, der von sich aus damit hausieren geht, ich finde mich ja nicht nur geil. [Er lacht]
Ich laufe generell mit ein bisschen mehr Energie durchs Leben. Es ist einfach eine Tatsache, dass es für die Heldenrollen, für die Hauptrollen, eine gewisse Erwartung gibt, wie man da auszusehen hat. Das bediene ich. Es wird von mir erwartet, dass ich fit bin. Ich mache mein Leben lang gerne Sport, auch Kampfsport, Stunts, ich bin für alles zu haben. Mein Körper ist ja sozusagen mein Instrument und ich will, dass mein Instrument in gutem Zustand ist.
Du hast die Followerinnenzahl schon angesprochen. Es ist durchaus so, dass die mitentscheidet, ob man eine Rolle bekommt. Ich höre das in Gesprächen jedenfalls immer mal wieder.
Sicher. Ich war oft genug in Endrunden-Castings, um das sagen zu können. Da hast du dann ein ganz anderes Kaliber von Leuten, sowohl vom Bekanntheitsgrad als auch von der Followerzahl. Ich bin schon sehr dankbar dafür, dass ich da überhaupt zu Castings eingeladen werde. Denn es liegt meistens nicht an den CasterInnen – die versuchen uns unvoreingenommen ins Gespräch zu bringen; die Besessenheit mit Followerzahlen gibts an anderen Stellen.
Es ist abgefuckt, dass diese Zahlen eine Rolle spielen. Die Idee ist: X Follower bedeuten X Zuschauer. Dabei wissen wir alle, dass das nicht stimmt. Nur weil ich jemanden z. B. gern bei YouTube anschaue, gehe ich deswegen nicht unbedingt ins Kino. Das sind teilweise ganz andere Zuschauer, die sich den Film anschauen. Und YouTube und Social Media Kanäle sind auch ganz andere Formate – nur weil da jemand gut „funktioniert“ bedeutet das nicht, dass man da gleich eine Rolle in einem Film glaubwürdig spielen kann.
Die Realität ist: Alles verkauft sich leichter, wenn man viele Follower hat. Meine Frau und ich, wir haben in den letzten Jahren angefangen, auch zusammen Drehbücher zu schreiben. Auch hier ist es leichter mit mehr Followern, mehr „Fame“.
Das heißt, du entwickelst dich weiter, siehst dich nicht nur als Schauspieler?
Ich sehe mich eher als Filmemacher. Ich liebe Film und finde alle Bereiche davon interessant. Das bereichert sich auch alles gegenseitig. Beim Drehbuchschreiben merke ich, dass meine Erfahrung mit Figurenentwicklung und Umsetzung am Set eine große Hilfe sind. Aktuell haben wir eine Comedyserie geschrieben und lassen uns von der Kölner Produktionsfirma „EitelSonnenschein“ vertreten. Noch versuchen wir, die Serie an den Mann zu bringen, dabei haben wir schon Zusagen von einem Regisseur und Letter of Interest von Schauspielerinnen. Wir haben eine tolle Mappe, es ist saulustig. Und trotzdem sind wir nach anderthalb Jahren noch immer nicht in der Produktion.
Da denke ich, wenn wir mehr Follower hätten, wäre das vielleicht weniger ein Problem. Der Inhalt ist super, aber am Ende wird immer auf die Zahlen geguckt. Da kannst du noch so sehr für deine Idee brennen, bei den Zahlen wird’s spießig, und dann ist der Funke sofort tot.
Mir macht das Sorgen. Wo entwickeln wir uns denn als Gesellschaft hin, wenn wir statt auf den Inhalt nur auf Zahlen und Skalierbarkeit achten? In welcher Welt werden unsere Kinder groß?
Ich bin 1989 geboren und die letzte Generation, die zusammen mit den Handys aufwachsen konnte. Deswegen habe ich immer verstanden, wo es hingeht. Die Vorstellung, wie es in der Schule gewesen wäre, wenn wir alle da mit diesen Dingern rumgelaufen wären …
Ich konnte das Step by Step begleiten. Für alle, die nach mir kamen, war dieses Ding schon immer da. Ich kann nicht sagen, wie sich das anfühlen muss, ich stelle mir das schwierig vor. Smartphones sind ein gigantischer Teil unseres Lebens. Das ist ein echtes Problem, und ich finde, da müsste auch der Staat viel stärker eingreifen, um uns vor uns selbst zu schützen. Dass z. B. für Schulen ein Handyverbot gilt. Immer und überall. Die dürfen erst gar nicht rein ins Gebäude.
Denn wenn wir ehrlich sind: Diese Scheißdinger machen süchtig. Es gibt so viele Untersuchungen dazu. Es kann auch nicht die Lösung sein, dass wir unseren Kindern die Handys wegnehmen, wir hängen doch selbst so dran. Es ist ja auch für Eltern extrem anstrengend, ständig zu argumentieren und nein zu sagen.
Man geht sich in der Partnerschaft damit auch auf die Nerven. Denn wenn man selbst schon am Ende ist, dann will man eher nachgeben, weil man seine Ruhe will. Aber gleichzeitig hat man ja verhandelt, wie man in der Familie mit Medien umgeht. Dann macht man Sachen plötzlich nicht mehr, weil sie sonst zu anstrengend sind. Ich will meinen Kindern im Restaurant kein Handy in die Hand drücken. Aber ich will auch nicht mein kaltes Essen runterwürgen müssen, weil ich vorher nur damit beschäftigt bin, mich um die Kinder zu kümmern.
Wir wissen also, was du eher vermeiden möchtest. Was inspiriert dich denn?
Ich liebe meinen Beruf. Deswegen spreche ich auch so gern darüber, vor allem mit Leuten, die sich dafür interessieren. Oft ist es ja auch so, dass Menschen, die keinen Bezug dazu haben, nicht wissen, wie sie mit mir umgehen sollen. Wenn sie hören, dass ich Schauspieler bin, dann ist das für viele gar nicht greifbar. Weil sie nicht wissen, wie Filme oder Schauspielerei funktionieren.
Mich inspiriert gute Arbeit innerhalb der Branche, Filme, die etwas bewegen. Ich lese auch gern, wenn ich die Zeit dazu habe. In Cornwall habe ich einen Roman von einem Bekannten, mit dem ich in Bonn zur Schule gegangen bin, gelesen, der seit Jahren bei mir im Regal stand. Ich hatte nie die Zeit dazu und das Buch damals vor allem als Support gekauft.
Beim Lesen habe ich direkt einen Film vor Augen gehabt. Ich hatte schon länger die Idee, dass ich ein Drehbuch für etwas schreiben möchte, dass in Bonn spielt. Bonn kommt in Film und TV sehr wenig vor, obwohl es ehemalige Bundeshauptstadt ist. Jedenfalls wollte ich was dazu machen, und beim Lesen des Romans dachte ich: Das ist es! Jetzt bin ich mitten im Prozess und habe großen Spaß daran, es gibt auch schon erste Gespräche mit ProduzentInnen. Dieser Roman hat mich also wahnsinnig inspiriert, weil ich da was ganz Konkretes drin gesehen habe.
Was mich auch inspiriert, sind Gespräche. Das kann überall passieren, man trifft ja überall Menschen. Ich liebe es neue Dinge zu erfahren, Lebensgeschichten zu hören, die weit weg von meinem eigenen Erfahrungswert sind. Darum geht es ja auch ultimativ als Filmemacher: ich will mir und anderen Geschichten erzählen, die idealerweise irgendetwas in einem auslösen.
„Rosamunde Pilcher: Wer immer du bist“ kommt am 14.09.2025 im ZDF. Ihr könnt den Film ab sofort auch in der ZDF Mediathek anschauen.
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