Melanie Marschke im Interview mit Andrea Zschocher zu "Soko Leipzig"

Melanie Marschke: „Ich finde, alleinerziehende Mütter und Väter sind die wahren Helden“

Seit 25 Jahren Teil einer sehr erfolgreichen Serie zu sein, ist echt eine Leistung. Melanie Marschke hat u.a. das (aber natürlich noch viel mehr) geschafft. Ich habe mich sehr auf das Interview mit ihr gefreut, weil ich ihre Rolle der Ina Zimmermann immer ein bisschen schwierig finde. Sie ist so beherrscht, hat alles im Griff. Ich habe mich immer gefragt, ob ich gern so eine Chefin hätte. Und als sich dann die Gelegenheit bot, mit Melanie über Ina zu reden, habe ich natürlich begeistert zugesagt.

Wie sich rausstellt, hardert auch Melanie Marschke manchmal mit dem, was ihre Rolle so verkörpert. Spannend, oder? Erzählt mir gern, wie ihr Ina Zimmerman wahrnehmt.

„Der Leipziger Künstler Gustav Sonntag kreierte den SOKOs ein Graffiti zum Staffelstart! Diese schlüpften spontan in die Rolle der Sprayer und wechselten für das Foto mal eben die Seiten.“ Marco Girnth (Jan Maybach), Melanie Marschke (Ina Zimmermann), Amy Mußul (Kim Nowak), Johannes Hendrik Langer (Moritz Brenner)

25 Jahre „SOKO Leipzig“, ihr geht in die 26. Staffel. Das ist ziemlich beeindruckend.

Melanie Marschke: Ich bin angesichts dieser Zahl auch immer noch baff. Das ist fast die Hälfte meines Lebens, das kann ich kaum glauben. Ich denke dann natürlich auch: Wo ist die Zeit abgeblieben? Wenn ich mir alte Folgen ansehe, dann überlege ich schon: Wie sahen wir und die Serie damals aus? Ich sehe da auch einen Bogen. In unser aller Privatleben ist in dieser Zeit wahnsinnig viel passiert. Diese Serie ist da tatsächlich als Konstante geblieben.

Und auch die hat sich immer weiterentwickelt. Die Serie ist ein Second Life, auch eine zweite Familie. Wir haben immer so Glück gehabt, dass wir ein Team waren, das wirklich befreundet ist. Das ist keine Show oder Behauptung, wir sind zusammengewachsen und miteinander befreundet. Diese familiären Strukturen gibt es nicht nur im Schauspielcast, sondern auch mit den anderen Teammitgliedern. Ich freue mich wirklich jeden Morgen, wenn ich ans Set komme und die Leute sehe.

Natürlich gibt es auch Durstrecken und mal Phasen, in denen man es anstrengend findet. Es passiert ja auch viel drumherum in so einer langlebigen Produktion. Aber der Kern hat für mich immer gepasst.

An der Stelle möchte ich auch mal ein großes Kompliment an all die Leute, die das nach all den Jahren immer noch so gern und so zahlreich gucken, loswerden. Ich finde das erstaunlich, dass es die SOKO Leipzig seit so langer Zeit gibt und dass das so erfolgreich ist. Vielleicht ist nicht jede Folge ein Treffer, aber die meisten schon.

Was macht denn einen guten Krimi aus?

Jeder hat natürlich seinen privaten Geschmack. Ich mag es ein bisschen skurril oder so richtig düster-skandinavisch, wo es psychisch auch sehr ans Eingemachte geht.

Es gibt ja viele Genres, die den Oberbegriff Krimi haben, aber ich glaube, man sollte grundsätzlich eine spannende Geschichte mit Figuren haben, an die der Zuschauer andocken kann. Das kann im Guten wie im Schlechten sein, man kann sich ja auch mit dem Antagonisten sehr verbunden fühlen. Ich muss als Zuschauerin eine Figur und ihr soziales Umfeld sehen und Anteil an der Not der Figur nehmen, an der Verzweiflung der Kommissare, am Leiden des Opfers. Das muss mich auf die eine oder andere Art berühren.

Es sollten keine Oberflächlichkeiten sein, kein Abziehbild von irgendwas, sondern Geschichten, die gut durchdacht und strukturiert sind. Die Ermittlungen müssen authentisch laufen und es darf nicht klischeemäßig sein.

Melanie Marschke im Interview mit Andrea Zschocher zu "Soko Leipzig"
© ZDF/Steffen Junghans

Vieles davon macht ihr bei der SOKO ja. Was machst du als Ausgleich für die düsteren Themen, die ja in der Serie auch behandelt werden?

Ich bin, im Gegensatz zu Ina Zimmermann, Gott sei Dank mit sehr viel Humor ausgestattet. Und meine Kollegen sind es auch. Wir sind immer in der Lage, mit Humor ganz viel abzufangen. Das funktioniert in sehr tragischen oder sehr intensiven Momenten tatsächlich sehr gut, dass wir uns da gegenseitig wieder rausholen, indem man einfach einen Witz macht. Da nimmt man dann wieder eine andere Ebene ein. Denn es gibt durchaus Themen oder auch Szenen, die mich sehr bewegen. Alles, was mit Kindern zu tun hat, finde ich ganz schwierig auszuhalten.

Aber dadurch, dass wir ja auch in einem sehr straffen Prozess arbeiten und immer mehrere Folgen gleichzeitig drehen, ist die Gefahr, dass man so sehr einsinkt, wie das bei einem 90-minütigen Spielfilm passiert, nicht so gegeben. Ich wühle da weniger in der Tiefe. Durch unsere Teamdynamik können wir uns da auch schnell wieder raustrudeln. Dann gehen wir abends ein Weinchen trinken und dann geht’s weiter.

Du bist ein bisschen das Aushängeschild der SOKO Leipzig, und das, obwohl du gar nicht aus dem Osten bist. Wie ist das für dich?

Ich glaube, das war von Anfang an ganz klar das Konzept. Wir waren ja erst die zweite SOKO überhaupt, die anderen sind erst nach und nach entwickelt worden. Vor uns gab es die SOKO München und es war die Idee, dieses Erfolgsformat in eine ostdeutsche Metropole zu setzen. Mit Andreas Schmidt-Schaller hatte man dann einen Ex-DDR-Star im Ensemble. Wir greifen, finde ich, immer wieder auf interessante Art auch Ost-West-Thematiken auf. Da geht es mal um die Stasi oder um Fluchtgeschichten und Ähnliches. Ich finde gut, dass wir das nicht als Dauerthema haben und auch keine Ost-West-Klischees.

Ich habe von den Menschen hier, die in der DDR aufgewachsen sind, wirklich viel gelernt. Ich habe so viele Dinge über das Alltagsleben erfahren, die ich vorher nicht wusste. Der Vater meines Sohnes ist aus dem Osten, mein Kind, wenn man so will, ein Ost-West-Produkt. Dadurch habe ich natürlich auch Einblicke in die Sozialisierung und in Lebensumstände bekommen. Das war für mich sehr interessant und aufschlussreich. Denn ich habe, trotz aller Aufgeklärtheit, gemerkt, wie viel ich über das normale alltägliche Leben nicht gewusst habe.

Melanie Marschke im Interview mit Andrea Zschocher zu "Soko Leipzig"
© ZDF/Uwe Frauendorf

Ina, deine Figur in der Serie, ist auch alleinerziehende Mutter. Und doch struggelt sie nie. Dabei ist das ein wahnsinniger Kraftakt, Kinder großzuziehen und einen so herausfordernden Job zu haben. Bei Ina wirkt das alles so easy, das ist es in der Realität natürlich nicht.

Ich finde, alleinerziehende Mütter und Väter sind die wahren Helden. Ich glaube, dass das grundsätzlich unterschätzt wird. Ich selbst habe nur ein Kind und meinen Beruf unter Dach und Fach bringen müssen, viele sind ja auch mit mehreren Kindern unterwegs. Das zu leisten und das auch energetisch auszuhalten, sich darum zu kümmern, dass die Kinder in die Schule kommen, dass zuhause alles läuft, dann im Job alles zu geben und dann wieder für die Kinder da sein, den Haushalt machen, einkaufen, kochen, Hausaufgaben …

Der Arbeitstag von Alleinerziehenden hört gar nicht auf. Er ist dann beendet, wenn man ins Bett fällt, und auch das ist etwas, was aktiv getan werden muss. Dieser ganze Mental Load, diese Bedenken bei Kindern, Ausflüge, Hausaufgaben, Berufsalltag und dann auch noch genug Zeit für die Kinder haben, am Start sein und immer wissen, was bei den Kindern gerade los ist … Das ist eine riesige Herausforderung.

Ich kann nur jeder Frau sagen, die unbedingt ein Kind haben will und das auch allein durchziehen möchte: Überlegt euch das gut. Es ist eine echte Herausforderung. Wir haben da vielleicht in der Vergangenheit auch zu wenig drüber gesprochen, was das für Anforderungen mit sich bringt.

Gibt es etwas, das du deiner Ina wünschen würdest? Ich sprach es ja schon an, sie ist so sehr organisiert und kriegt alles hin, und das hat sich in 25 Jahren ja nicht wirklich geändert.

Ich wünsche mir, dass sie mal ein paar Momente hat, in denen sie loslassen kann. Wo sie vielleicht mal etwas Absurdes macht oder etwas, das nicht typisch für ihr kontrolliertes und zurückgenommenes Auftreten ist. Sie soll ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen und mal so richtig die Sau rauslassen.

Bevor sie Chefin wurde, war das für Ina eher möglich, da gab es schon mal auch Entgleisungen. Jetzt ist das weniger möglich, weil sie die Chefin ist und die Scherben der anderen aufsammeln muss. Ina ist schon auch ein bisschen die Mutter der Kompanie. Daraus könnte sie sich doch mal befreien und etwas Verrücktes machen. Einen Alleingang starten oder gegen jegliche Vernunft einfach aus einem Bauchgefühl heraus sich durchsetzen gegen ihr Team. Ina könnte einfach mal den Kopf ausschalten und mehr loslassen.

Melanie Marschke im Interview mit Andrea Zschocher zu "Soko Leipzig"
© ZDF/Sandra Ludewig

Amy Mußul darf das in ihrer Rolle Kim Nowak mit dem Tanzstudio ja durchaus. Da hat man mal eine andere Seite von Kim gesehen. Deine Ina darf das nicht, sie ist immer die beherrschte Chefin.

Ich komme, wie Amy, vom Tanz und habe früher immer dafür plädiert, auch mal tanzen zu dürfen. Ich hätte gern eine Folge gehabt, wo ich das vielleicht mal undercover hätte machen dürfen. Mir wäre auch egal gewesen, was genau sie getanzt hätte, ich wollte diesen Teil von mir gerne auch in die Rolle bringen. Das hat aber bisher nicht geklappt, vielleicht war die Zeit dafür noch nicht reif genug.

Amy hat diese Chance bekommen. Das macht mit ihrer Figur ganz viel und Amy kann ihr Talent, das sie hat, da auch zeigen. Da habe ich gedacht: Gott sei Dank, sie hat es geschafft.

Es wäre auch nur ein anderer Teil meiner Figur gewesen, etwas, wo man zeigt, wie Ina sich auspowert. Das ist für meine Figur aber nur sehr schwer vorgesehen. Meine Figur ist die, die immer funktionieren, die für die anderen mitdenken muss. Sie darf sich so etwas wie Tanzen oder Auszeiten nicht leisten. Ich wünsche mir, dass ein bisschen mehr Mut entsteht, dass man diese Figur auch mal vom Gleis springen lässt – in positiver oder negativer Hinsicht.

Ehrlicherweise hat mich diese Haltung an Ina immer ein bisschen gestört. Weil sie ein Frauenbild transportiert, das so ungesund ist. Das macht anderen beim Zuschauen ja auch Druck, die eben nicht zu jeder Zeit ihr Leben so im Griff haben.

Das ist meine Rede! Die Figur ist mir schon auch nah. Ich bin eher jemand, der in der Krise die Ruhe bewahrt. Ich kann stark sein, wenn andere schwach werden. Ich kann trösten. Ich bin nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Aber natürlich gibt es Momente, wo das auch passiert.

Ich würde mir wünschen, dass man dieser Figur diese kleinen Einblicke lässt, dass man sieht, wie es ihr wirklich geht, wie anstrengend das gerade alles ist. Dass man mal sieht, dass sie durchatmet, sich zusammenreißen muss, um zu funktionieren.

Es wird sehr oft darauf reduziert, dass Ina funktioniert, dass sie den Laden zusammenhält. Alle anderen dürfen sich viel schneller Fehler erlauben und ausrasten. Ina muss trösten. Das hat schon etwas „mutti“-mäßiges. Dabei sollte man, finde ich, doch spürbar machen, dass da eine Anstrengung dahintersteht, nicht immer nur Perfektion.

Die neuen Folgen von „SOKO Leipzig“ könnt ihr ab 03.10.25 um 21:15 Uhr im ZDF anschauen oder jederzeit in der Mediathek.


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