Hannah Emde zu "Terra X: Faszination Erde" mit Andrea Zschocher

Hannah Emde: „Lassen wir die Natur in Ruhe. Die regelt das schon“

Immer dann, wenn ich auf Reisen bin, fällt wieder auf, die faszinierend unsere Erde ist. Weil sie soviel mehr bietet als das, was wir vor der eigenen Haustür sehen. Aber selbst da kann es ultraspannend sein, mal genauer hinzugucken. Mache ich aber, zugegebenermaßen, viel zu selten.

Eine, die genau hinschaut ist Hannah Emde. Ihr kennt die Wildtierärztin und Artenschützerin vielleicht schon durch ihr Buch „Nachtschicht mit Aras„*. Oder ihr schaut ihre „Terra X“ Sendungen, bei denen die Moderatorin sich an verschiedene Orte dieser Welt begibt, um über Natur- und Artenschutzprojekte, engagierte Menschen und die verschiedenen Länder der Erde aufzuklären.

Hannah, warum brauchen wir Sendungen wie „Terra X“?

Hannah Emde: Ich finde „Terra X: Faszination Erde“ wichtig, weil wir damit die Schönheit der Natur und die abgelegenen Orte in der Welt, die wir sonst nicht erleben, zeigen. So lernen wir sie trotzdem kennen.

Mir ist außerdem wichtig, Menschen vorzustellen, die vor Ort forschen oder sich für Natur- und Artenschutz-Projekte einsetzen. Menschen, die für die letzten Gletscher auf Neuseeland kämpfen oder für die Kiwis, in Neuseeland beheimatete Vögel. „Terra X“ ist ein wunderbares Vehikel, um diesen Menschen eine Bühne zu geben und Erfolgsgeschichten zu erzählen. Engagierte Menschen gibt es auf allen Kontinenten und in allen Ländern, und es gibt so viele ermutigende Beispiele.

In Kasachstan waren wir in der entlegenen Steppe unterwegs und zeigen, was es bedeutet, die großen Pflanzenfresser zurück in die Steppe zu holen. Das bringt das gesamte Ökosystem dort wieder zurück ins Gleichgewicht – eine Möglichkeit, diesen bedrohten Lebensraum zu retten. Für diese komplexen Zusammenhänge ist Fernsehen ein tolles Medium.

Hannah Emde zu "Terra X: Faszination Erde" mit Andrea Zschocher
© ZDF/Oliver Roetz

Für „Terra X“ bist du natürlich viel unterwegs. Was bedeuten diese Reisen für dich persönlich?

Es ist anstrengend, faszinierend und extrem bereichernd. Früher habe ich monatelang an einem Ort verbracht, um dort als Tierärztin zu arbeiten. Jetzt ist das anders, denn für „Terra X“ reisen wir viel, um unterschiedliche Orte zu zeigen. So sind wir in kurzer Zeit sind in vielen Klimazonen unterwegs – das ist kräftezehrend und gleichzeitig enorm spannend.

Für die aktuelle Staffel bin ich in Neuseeland, Kasachstan und Costa Rica – unterschiedlicher könnte es gar nicht sein. [Sie lacht] Aber das macht natürlich auch den Reiz aus. Allen Ländern – und den drei Folgen – ist gemeinsam, dass die Klimakrise und ihre Auswirkungen sehr präsent sind.

Wie können wir die Klimakrise zum Thema machen, ohne dass Leute abschalten?

Das ist auf jeden Fall ein schmaler Grat, gerade bei der Sendezeit. Denn sonntagabends, kurz vor dem „Tatort“, da dürfen wir nicht mit dem Hammer auf ein Thema hauen oder dogmatisch sein. Das wollen wir auch gar nicht. Unser Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen.

Das geht viel besser, wenn wir mit Bildern und Geschichten faszinieren. Nur die Hard Facts liefern und aufzählen, was alles schiefläuft – das will niemand sehen. Ich finde, wir haben eine gute Balance gefunden. Ich gebe aber zu, dass ich manchmal aufpassen muss, nicht zu direkt zu werden – schließlich betreffen die Klima- und Biodiversitätskrise uns alle.

Hannah Emde zu "Terra X: Faszination Erde" mit Andrea Zschocher
© ZDF/Oli Roetz

Wie schwer fällt dir das? Ich kenne das auch, dass ich mich manchmal bremsen muss, weil man Menschen ja immer da abholen sollte, wo sie stehen. Gleichzeitig muss man Dinge ja auch benennen dürfen.

Das Gute ist, dass ich nicht allein bin. Ich habe eine tolle Wissenschaftsredaktion im Rücken, die viel Erfahrung mit „Terra X: Faszination Erde“ hat. Vermutlich würde ich manches direkter ansprechen, so wie ich es auch bei anderen Projekten mache, etwa im Rahmen meines Artenschutzvereins „Nepada Wildlife“ oder meiner Bildungsarbeit. Aber jede Zielgruppe hat ihr Format. Und ist es nicht fantastisch, dass wir für die Themen Natur- und Artenschutz, Biodiversität und Klima einen so prominenten Sendeplatz haben?

Die Sendezeit macht „Terra X: Faszination Erde“ für eine wirklich große Zielgruppe attraktiv. Sowohl Ältere als auch Kinder können das schauen, weil ihr einfach alle abholt. Die einen wollen vielleicht nur die schönen Bilder sehen, Länder kennenlernen, die sie selbst nicht bereisen können, und andere lernen gerne etwas Neues. Die kannst du mit diesem Wissen fit für die Zukunft machen.

Ja, genau. Wir haben ein breites Publikum und spielen genau mit dem Ansatz, den du angesprochen hast. Costa Rica zum Beispiel ist ein Urlaubsland, in das viele gerne reisen möchten, auch weil es den Ruf hat, ein Öko-Paradies zu sein. Ein Land, das sich den Naturschutz auf die Fahne geschrieben hat. Aber wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen aus? Darum geht es auch in meinem Buch „Nachtschicht mit Aras“: Wie sieht dort der Artenschutz in den Meeren aus? Welche Pestizide nutzt Costa Rica in der Landwirtschaft als größter Exporteur von Ananas und Bananen? Was bedeutet das für den Lebensraum von Jaguaren, Tapiren und Co? Und wie geht’s den Faultieren? Die sind süß und haben viele Fans, aber sie haben auch zu kämpfen. Und das zeigen wir. Wir zeigen auch die weniger bekannten Seiten solcher Sehnsuchtsorte.

Neuseeland zum Beispiel ist spannend für den Artenschutz, weil es hier darum geht, nicht heimische Tiere, also invasive Arten zu töten, um einheimische Tiere zu schützen. Ein Konzept, das man erstmal vielleicht nicht so eingängig findet. Meine Hoffnung ist, dass wir das durch „Terra X“ vielen Menschen vermitteln und erklären können.

Wie stehst du denn zum Thema Zoos? Da gibt es von: „Sie haben die Funktion, Arten zu schützen und Populationen wieder aufzubauen“, bis zu: „Tiere müssen in Gefangenschaft leben und wir haben einfach kein Recht darauf, die gegen Geld anzugucken“, ein breites Stimmungsfeld.

Ich finde es sehr schwer, Zoos über einen Kamm zu scheren. Ich werde viel dazu befragt, und es gibt keine einfache Antwort. Allein in Deutschland gibt es so unterschiedliche Zoos: wissenschaftlich geführte Zoos, aber auch kleine Einrichtungen, in denen artgerechte Tierhaltung nicht oberste Priorität hat.

Es ist wichtig, sicherzugehen, dass die Tiere gesund sind, artgerecht gehalten werden und auch, welches Konzept hinter dem Zoo steckt. Geht es darum, dass der Zoo jedes Tier der Welt zeigen will oder verfolgt er ein durchdachtes Artenschutz- und Bildungskonzept? An welchen Zuchtprogrammen beteiligt sich der Zoo?

Ein positives Beispiel will ich hier erwähnen, weil es das nicht oft gibt: Die Przewalski-Pferde und Kulane (Wildesel), die wir für die Kasachstan-Folge in der Steppe begleiten durften, stammen aus dem Zuchtprogramm von Zoos. Sie sind in der Wildnis in Kasachstan ausgestorben und sollen nun wieder angesiedelt werden, um das fragile Ökosystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das ist ein Leuchtturmprojekt. Die ersten Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Graslandschaft mit den Huftieren verändert und es zum Beispiel zu weniger Buschfeuern kommt. In diesem Fall finde ich einen Zoo sinnvoll. Aber es gibt eben auch viele sehr fragwürdige Modelle.

Es geht nicht darum zu züchten, damit die Menschen was zum Angucken haben.

Ja, genau. Bei Wildpferden und Eseln etwa muss man genau aufpassen, dass man Tiere züchtet, die genetisch so robust sind, dass sie ausgewildert werden können. Das wird tierärztlich genau untersucht, auch vor dem Transport. Denn das Klima im Berliner oder im Prager Zoo ist für Tiere anders als in der eurasischen Steppe – und dort müssen die Tiere dann ja überleben.

Hannah Emde zu "Terra X: Faszination Erde" mit Andrea Zschocher
© ZDF/Oliver Roetz

Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit mit dem ZDF?

Ich habe viel über meine tiermedizinische Arbeit und Forschungsaufenthalte im Dschungel geschrieben und Vorträge gehalten, sehr viel Kommunikationsarbeit gemacht. Dann kam mein Buch „Nachtschicht mit Aras“ raus, dann eine Artenschutz-Doku-Serie für den NDR, in der ich in Namibia als Tierärztin unterwegs war: „Hannah goes wild“ hieß sie, man kann sie noch heute in der ARD-Mediathek anschauen.

So habe ich erste Kameraerfahrung gesammelt, und das ZDF ist auf mich aufmerksam geworden.

Kannst du dir vorstellen, eine Tierarztpraxis aufzumachen und nur noch da Tiere zu versorgen?

Ich glaube nicht, bisher habe ich kaum in einer Kleintierpraxis gearbeitet. Was ich mir vorstellen kann, ist, in die Forschung zu gehen, vor allem im Bereich „One Health“. Ich habe vor einigen Jahren dazu gearbeitet, wie die Gesundheit von Wildtieren mit der unserer Umwelt und der von uns Menschen zusammenhängt. Es ging auch darum zu verstehen, wie Pandemien entstehen, warum und wann Erreger von Wildtieren auf Menschen überspringen und wie der Schutz unserer Biodiversität uns auch vor der nächsten Pandemie schützen kann. Ich möchte das Bewusstsein stärken, dass wir unsere Umwelt schützen müssen, um selbst gesund zu bleiben. Biodiversität ist die Grundlage dafür.

Das klingt aber nach einem aktiven Plan, keinem Zufall, den du auf dich zukommen lässt.

Im Moment ist „Terra X“ genau das, was ich machen will. Es ist eine erfüllende Arbeit mit tollen Kolleg*innen und vor allem großartigen Wissenschaftler*innen vor Ort. Es ist so faszinierend für mich, all diese Menschen kennenzulernen. Damit möchte ich nicht aufhören.

Andere Menschen im eigenen Feld kennenzulernen, bereichert die eigene Arbeit ja auch.

Auf jeden Fall. Ich bin nach jeder Drehreise immer voller Erfahrungen und Erlebnissen, Kontakten und Emotionen. Da brauche ich auch ein bisschen Zeit, um das alles zu verarbeiten.

Was macht für dich gutes Docutainment aus? Wann ist es für dich gut gemacht?

Das, was mich persönlich anspricht. Mir sind Emotionen wichtig. Es muss mich berühren, es muss authentisch sein, und ich muss den Leuten, die ich sehe – den Host oder die Protagonisten – abnehmen, dass sie dahinterstehen. Es muss sich real anfühlen, auch wenn mir bewusst ist, dass manches inszeniert ist. Ich muss verstehen, warum ich dem folgen soll.

Es darf nicht mit Informationen überladen oder zu schnell erzählt sein. Gerade nach einem stressigen Tag bin ich nicht immer so aufnahmefähig. Wenn das gut gemacht ist, dann kann ich mich darauf einlassen.

Spielt generell die Aufmerksamkeitsspanne nicht auch eine Rolle? Ich z. B. erwische mich auch dabei, dass ich bei manchen Sachen parallel die Fakten checke.

Ja, stimmt, das ist ein wichtiger Punkt, den du da ansprichst. Gutes Docutainment lebt auch davon, dass man vertrauenswürdige Quellen nutzt. Für eine Wissenschaftsredaktion wie „Terra X“ ist das eine Selbstverständlichkeit. Da sitzen viele Expert*innen, die mich aus dem Hintergrund unterstützen und dafür sorgen, dass alles überprüft wurde und sich mit Quellen belegen lässt.

Hannah Emde zu "Terra X: Faszination Erde" mit Andrea Zschocher
© ZDF/Oli Roetz

Eine letzte Frage, die vermutlich wirklich schwer zu beantworten ist: Unsere Erde ist so faszinierend. Was ist ein Fakt, von dem du dir wünschst, dass ihn mehr Menschen kennen?

Wow, das ist wirklich eine schwierige Frage. [Sie überlegt]

Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Die Steppe Kasachstans finde ich faszinierend und überwältigend. Vorher habe ich mich wenig mit diesem Ökosystem befasst und es völlig unterschätzt, weil ich nie in Graslandschaften unterwegs war. Durch die Dreharbeiten habe ich gelernt, wie wertvoll dieser Lebensraum ist – ein gigantischer Kohlenstoffspeicher.

Eigentlich ist der Regenwald mein Steckenpferd, ein wichtiger Sauerstoffproduzent, Biodiversitäts-Hotspot und auch ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Grasland aber hat noch viel mehr Speicherkapazität, weil es den Kohlenstoff tief im Boden verankert, und er durch Erosionen oder Unwetter nicht so schnell freigesetzt wird. Ein perfektes, in sich stimmiges Ökosystem.

Das kann man sich in der Terra X-Folge über Kasachstan genauer angucken, und ich glaube, danach werden viele denken wie ich: Lassen wir die Natur in Ruhe, lassen wir sie machen. Die regelt das schon. [Sie lacht] Renaturierungsprojekte wie diese machen mir Mut.

Die neuen Folgen „Terra X: Faszination Erde“ könnt ihr ab 7. Dezember , 19:30 Uhr im ZDF anschauen. Alternativ findet ihr sie ab sofort in Web & App vom ZDF.


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