Gabrielle Scharnitzky & Dana Herfurth: „Stars sind Projektionsfläche für die Sehnsucht des Menschen nach Bedeutsamkeit“

Heute startet mit „Call your Agent Berlin“ eine neue Serie bei Disney+, die genau ein Thema kennt: Die Welt der Stars. Erzählt wird die Geschichte der Agentur Stern und den Agent*innen, die die Stars in der Medienwelt vertreten. Tatsächlich tauchen in dieser Serie wirklich sehr sehr viele Prominente auf und es macht einfach großen Spaß zu entdecken, wer da in welche Rolle schlüpft. Mir hat die Serie großen Spaß gemacht und ich bin gespannt, wie ihr sie findet.

Zum Start der Serie habe ich Gabrielle Scharnitzky und Dana Herfurth zum Interview getroffen. Gabrielle spielt die Agentin Helen, Dana kommt als Sophie neu ins Team und sorgt für ordentlich Wirbel. Im Gespräch ging es gleich ganz tief rein. Mich interessiert: Wie seht ihr das, warum sind Prominente für viele Menschen so faszinierend?

„Leute würden dafür töten, so nah an den Stars zu sein“, heißt es in „Call your Agent Berlin“. Warum sind Prominente für viele Menschen so wahnsinnig faszinierend?

Gabrielle Scharnitzky:  Stars bewegen sich in einer Welt, die einfach glamouröser, größer und geheimnisvoller wirkt als der Alltag und werden dadurch zur perfekten Projektionsfläche für die Sehnsucht des Menschen nach Bedeutsamkeit, Anerkennung, Teilhabe und Erfolg. Ich glaube, der Mensch kreiert Halbgötter, zu denen er aufblicken, an denen er sich ein Beispiel nehmen kann, um sich selbst wertvoller zu fühlen.

Andy Warhol hat es mal auf den Punkt gebracht: „Früher wollten alle in den Himmel. Jetzt wollen alle ins Fernsehen.“ Heute wird diese Sehnsucht nach Sichtbarkeit und Bedeutung dann zusätzlich noch durch soziale Medien verstärkt. Der Prominente hat dann in gewisser Weise eine Vorbildfunktion. 

Warum bewundern wir manche Stars mehr als andere? Es ist ja nicht nur Talent oder Ausstrahlung, sondern besonders auch Tugenden wie Selbstvertrauen, Mut, Flexibilität, Durchsetzungsvermögen, die sich oft auch an den  Lebenswegen von Prominenten ablesen lassen: Die, die  über sich selbst hinauswachsen, nach den Sternen greifen und im Leben wie in ihren Rollen große Herausforderungen meistern, werden automatisch sichtbar und dadurch für andere zum Beispiel. Diese Kombination aus Strahlkraft, Leistung und Persönlichkeit macht meiner Meinung nach ihre große Faszination aus.

Dana Herfurth: Es kommt noch dazu, dass von Schauspieler*innen Emotionen nach außen getragen werden, die der Zuschauende auch fühlt. Im besten Fall ist dieses Zusehen wie eine Art Therapie. Dann, wenn man etwas spürt, wenn die Menschen sich mit den Figuren, die die Schauspieler verkörpern, identifizieren, können. Wenn sie etwas, das sie aus dem eigenen Leben vielleicht gar nicht kennen, nachspüren. Da werden diese parasozialen Verbindungen geschaffen, bei denen Dinge auf jemanden projiziert werden, den man dann idealisieren kann.

Es besteht allerdings die Gefahr, dass man zur emotionalen Müllhalde des Zuschauers wird.

Gabrielle Scharnitzky: Wenn so ein Halbgott sich dann als Mensch zeigt, dann ist das spannend. Dann findet da eine andere Identifikation statt. Wenn Menschen zum Beispiel die Zeitung aufschlagen und von Schicksalsschlägen bei Prominenten lesen, dann werden diese  plötzlich zu „normalen“ Menschen.

© 2025 The Walt Disney Company

Das gibt es und ich verstehe, was du damit meinst, aber ich empfinde eher, dass da, wo Menschen Mitleid und Zuspruch erfahren, Prominente eher mit Häme zu kämpfen haben.

Gabrielle Scharnitzky: Ja, das kann dann auch zur Hölle werden. Kommt natürlich drauf an wie es kolportiert wird. Aber für die Presse sind Fehler, Schwächen, Schicksalsschläge der Stars leider ein gefundenes Fressen, denn Häme verkauft sich einfach besser. Der Neid, der hinter der Bewunderung schlummert, treibt dann seine Blüten. So unter dem Motto: „Na bitte, die sind auch nicht besser.“

Dana Herfurth: Ich finde ganz passend, was ich neulich dazu gehört habe. Ich glaube, es war Sophie Passmann, die letztens erzählt hat, dass man [als prominente Person] auf Instagram total auseinandergenommen wird, weil man Kaffee aus dem Pappbecher trinkt. Wenn dein Freund sich unterwegs einen Kaffee im Pappbecher holt, selbst wenn du das nicht so gut findest, würdest du den niemals so angehen oder moralisch so fertig machen, wie man es bei Prominenten tut.

Gabrielle Scharnitzky und Dana Herfurth im Interview mit Andrea Zschocher
© OZ JOHN TEKSON

„Man kann Menschen nur berühren, wenn man ihnen etwas von sich mitgibt“, ist ein weiteres Zitat, das mich sehr abgeholt hat. Wie schützt ihr euch denn, damit es nicht zu privat wird? Denn am Ende des Tages seid auch ihr ganz normale Menschen mit all dem, was das Leben so bereithält.

Gabrielle Scharnitzky: Das Tor zur Seele (m)einer Rolle liegt ja in meinem Herzen. Natürlich gebe ich da was von mir mit. Durch mein Hinfühlen und Begreifen und einem universellen Verständnis von den Umständen, in denen sich meine Figur befindet,  hauche ich ihr Körper, Seele und Geist ein. Je älter ich werde, umso mehr verstehe ich, dass es tatsächlich die Wahrhaftigkeit ist, die mich schützt – im Schauspiel genauso wie im Leben. Das ist mein Fundament. Mein Anker in mir, auf den ich mich verlassen kann.

Mein oberstes Prinzip: Wahrhaft mit mir selbst, mit meinen Freunden, meiner Familie, meinen Kollegen. Mein Beruf ist ein Handwerk und ich erwarte von mir, das ich es mit derselben Wahrhaftigkeit, Professionalität und Hingabe ausübe. Je klarer ich die Wahrheit vermittle, umso mehr trage ich zum Besten bei. Ob vor oder hinter der Kamera.

Dennoch darf Figur und Selbst nicht miteinander verwechselt werden. Es passiert oft am Set, dass man mich mit dem Rollen- und nicht dem eigenem Namen anspricht. Dann betone ich immer wieder, dass ich, Gabrielle, eine Figur spiele. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als Wertschätzung meiner Arbeit. Denn es bedeutet,  dass meine Rolle wie ein real existierender Mensch gesehen wird.

Wenn diese Wertschätzung da ist, ist alles wunderbar. Wenn nicht, muss ich morgens gut meditieren. [Sie lacht]

Gabrielle Scharnitzky und Dana Herfurth im Interview mit Andrea Zschocher
© 2025 The Walt Disney Company

Dana, wie gehst du damit um? Und hast du vielleicht auch Schutzmechanismen, die verhindern, dass Menschen deine Person mit deinen Rollen vermischen?

Dana Herfurth: Bisher habe ich das Gefühl, dass bei den Sachen, die ich gemacht habe, ganz klar ist, dass es eine Rolle ist, die ich spiele. Es ist klar, dass nicht ich als Dana da sitze und weine, sondern Sophie aus „Call My Agent Berlin“.

Was den persönlichen Bezug zwischen mir und meinen Rollen angeht, ist es immer ganz unterschiedlich. Natürlich ist es so, dass, wenn man die traurige Sophie da sitzen sieht, ich ja auch traurig bin. Sonst wäre es ja auch nicht authentisch. Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass das nicht meine private Trauer ist.

Es gibt Kolleg*innen, die das machen, die sich hinsetzen und an ihre tote Oma denken. Ich mache das nicht. Ich fühle mich stattdessen so weit in meine Figur ein, dass ich nachvollziehen kann, warum sie traurig ist. Dann kann ich da mitgehen.

Außerdem finde ich das Kostüm extrem wichtig. Denn am Ende des Tages ziehe ich das aus und meine privaten Klamotten an. Dann kann ich für mich beschließen, dass ich mich als Dana auf die Couch lege und eine Tüte Chips esse. [Sie lacht]

Gabrielle Scharnitzky und Dana Herfurth im Interview mit Andrea Zschocher
© 2025 The Walt Disney Company


Wenn ihr die Serie mit eurem Leben vergleicht – Welche Übereinstimmungen gibt es?

Gabrielle Scharnitzky: Die absolute Liebe für den Film. Für die grosse Schauspielkunst. Das ist der rote Faden in der Serie und in meinem Leben.

Gabrielle Scharnitzky und Dana Herfurth im Interview mit Andrea Zschocher
© Sebastian Reuter / Disney

Das ganze Business besteht auch viel aus schönem Schein. Wie bleibt ihr da bei euch, geradlinig und ehrlich?]

Ich meditiere, geh lange spazieren, lese, schreibe, bin Coach und Mentor für Kollegen, gebe online Bewusstseinstraining für die unterschiedlichsten Menschen, spreche mit befreundeten Kollegen, meinen Schwestern, meinen engsten Freunden, und erinnere mich immer wieder daran, dankbar für alles zu sein, dafür in Frieden zu leben, mich versorgen zu können, dankbar für alles, was ich bereits erlebt habe und immer noch erleben darf. Das erdet mich.

Und Schein hin oder her. Wie heisst es? Schönheit kommt von innen. Die scheint von selber. 

„Call your Agent Berlin“ läuft ab sofort auf Disney+. Und vergesst nicht, ich freue mich wahnsinning über eure Antwort auf die Frage: Warum sind Prominente für viele Menschen so faszinierend?


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