Stefanie Reinsperger im Interview mit Andrea Zschocher

Stefanie Reinsperger: „Endlich geht eine Zeit los, in der wir Frauen uns austauschen,in der wir Schwestern werden“

Ich bin der festen Überzeugung, dass Frauen andere Frauen viel mehr supporten sollten. Weil wir doch alle großartig sind. Wir müssen raus aus dieser Denke, dass es nur eine von uns geben kann. Das ist eine Erfindung vom Patriachat, an der ich regelmäßig wütend verzweifele. Gegen diese Verzweiflung helfen Gespräche. Das Interview mit Stefanie Reinsperger tut euch hoffentlich ebenso gut, wie es mir in dem Moment getan hat.

Grund für das Interview war Stefanies neue Rolle als „Jenny“ in „Liebesbriefe an Jenny. Und für den Fall ihr könnt es an meinen Fragen nicht erkennen: Ich finde diese Rolle großartig, ich finde Stefanie Reinsperger toll in dem Film und ihre Anworten auch. Darauf schreiben wir uns vielleicht alle mal einen Liebesbrief an uns selbst, oder?

Was magst du an deiner Jenny am liebsten?

Stefanie Reinsperger: Sie hat etwas wunderschön Freches und Vitales, was ich sehr gern mag. Ich liebe außerdem das Kostüm und ihren Style. Das möchte ich an der Stelle ausdrücklich erwähnen, weil Kostüm in Filmen meiner Meinung nach so wenig wertgeschätzt wird. Hier hat Bettina C. Proske einen großartigen Job gemacht. Wir haben lange gesprochen und gesucht und das Ergebnis ist so toll.

Denn das Kostüm ist wirklich wichtig. Das formt eine Figur, und im Fall von Jenny habe ich bei allen Sachen gedacht: Das sind Dinge, die ich privat nie im Leben anziehen würde. Weil ich dachte: Das steht mir nicht, das ist zu bunt. Beim Dreh habe ich dann gemerkt, wie schön das ist, sich so ein Leben auch in Kleidung mal für eine Zeit auszuborgen.

Ich war ja den ganzen Sommer über in Hamburg und habe es geliebt. Natürlich war ich am Ende des Drehs fest davon überzeugt, dass ich auch dringend solche Stiefel besitzen muss. Ich habe mir schon ein bisschen von Jenny mit in Steffi genommen. [Sie lacht]

Stefanie Reinsperger im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Boris Laewen

Die Frage, die jetzt kommt, hat mich die ganze Zeit beim Schauen vom Film umgetrieben: Was hat Jenny eigentlich von der Beziehung mit Timo? Was er davon hat, ist mir klar: Er bekommt diese tolle, lebensbejahende Frau, die spannend und aufregend ist. Aber was hat sie denn von dieser Beziehung?

Sie wird schon durch diese Beziehung mit dem konfrontiert, was bei ihr noch nicht ganz verheilt ist. Es ist eine eher schön-ungewöhnliche romantische Komödie, weil man sich eben fragt, was sie davon hat. Vielleicht erzählen wir zu oft davon, dass die andere Person nun DIE EINE ist, und zu wenig davon, dass es die eine Person für einen kurzen Moment geben kann.

Der sagt zu ihr: „Hey, ich liebe dich und deinen Körper“, und das findet sie toll, aber es ist ihr nicht genug. Sie merkt, dass dieser Mann und dieses Leben eigentlich so viel in ihr triggert, was sie glaubte, abgeschlossen zu haben. Davon löst sie sich, um später sagen zu können: Okay, schauen wir mal, vielleicht kommen wir ja nochmal zusammen. Ich mochte das, dass es nicht den klassischen Verlauf nimmt.

Deine Jenny ist ein totaler Gewinn, mit ihrer Art, ihrem vollen Leben mit Freundschaften und Hobby und Ehrenamt. Was hat Timo ihr denn überhaupt zu bieten? Der hat seinen Sport, wobei Jenny auch nicht unsportlich ist, und seine Influencerkarriere. Er muss doch dankbar sein, dass diese Frau ihn nimmt!

Wir sind das so gewöhnt, dass es andersrum so läuft, dass es hier auffällt. Wie oft haben wir denn auf der einen Seite eine Männerfigur, über die wir viel wissen, und eine Frauenfigur, die relativ wenige Eigenschaften hat, außer eben schön zu sein. Das wird ganz selten andersrum erzählt.

Genau das mochte ich daran, ich fand das gut, an mir selbst zu merken, welche Sehgewohnheiten ich da in mir habe. Ich bin ganz anders aufgewachsen, mit einem ganz anderen Beziehungsbild. Jetzt mal zu zeigen, dass das total okay ist, dass Jenny vielleicht auch einfach nur den Sex mit dem richtig gut findet, ist doch super. Sie kann doch sagen: Das passt, der muss gar nicht viel reden. [Sie lacht]

Stefanie Reinsperger im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Deine Jenny sieht aus, wie Millionen Frauen eben aussehen. Ich empfinde sie auch nicht als dick. Aber auch hier kommt wieder ins Spiel, dass wir normale Körper viel zu selten sehen. Ich wünschte mir, du würdest da jetzt nicht als Ausnahme gefeiert, sondern als ganz normal.

Das ist sehr schön, dass du das sagst. Ich mag das Wort Mut im Zusammenhang mit meinem Körper nicht. Es wird mir öfter gesagt, dass das mutig sei, wenn ich mich in Unterwäsche zeige. Ich bin so, wie ich bin. Das Narrativ, das mir erzählt wird, das macht was mit mir.

Leider ist das in Interviews immer wieder ein Thema, weswegen ich auch gemerkt habe, dass dieser Film verdammt wichtig ist. Es ist eben nicht normal, auch wenn wir beide das so sehen. Es ist ein Aufreger, und es wird von mir erwartet, dass ich sage, dass diese Szenen eine Herausforderung für mich waren. Ich hatte so viele herausfordernde Szenen bei diesem Dreh, aber in der Unterwäsche zu spielen war nur emotional herausfordernd.

Ich finde, es ist auch in der Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Sender, dass das mehr gezeigt wird. Es ist genauso wie du sagst: Ich habe so lange in meinem Leben gedacht, dass ich allein damit bin. Und endlich geht eine Zeit los, in der wir Frauen uns austauschen, in der wir uns vernetzen, in der wir Schwestern werden und uns ehrlich sagen: Jede von uns kennt diese Scheiße! Jede!

Es ist egal, wie wir aussehen, es reicht, dass wir eine Frau sind. Der Körper einer Frau ist ein Politikum, zu dem jeder was zu sagen hat. Wir sind noch immer nicht da angelangt, dass das aufhört. Ich erlebe das nach wie vor bei mir selbst, dass ich denke, dass ich die einzige im Raum bin, die so aussieht. Deswegen habe ich bei der Bearbeitung vom Drehbuch auch ganz schnell gesagt, dass ich involviert werden will. Ich wollte Sachen dazu sagen können. Denn wenn man in einem Raum sitzt, wo niemand sonst so aussieht, dann kann man da ganz viel zu sagen. Die anderen kennen das doch gar nicht.

Es ist doch auch gut für die, dass die nicht wissen, wie das ist. Aber dann hört mir doch mal kurz zu, wenn ich es euch beschreibe.

Ich verstehe diese Aufregung wirklich nicht. Ich möchte auf keinen Fall deine Arbeit kleinreden, es tut mir nur so weh, wenn ich sowas höre. Ich denke auch sofort an die Schauspielerin Nicola Coughlan, bei der es rund um „Bridgerton“ ja auch diese Diskussion gab. Warum sprechen wir 2025 immer noch über Körper, wo wir doch so viel weiter sein sollten.

Ich habe das auch verfolgt und sehe es wie du. In Vorbereitung auf die Interviews zum Film hatte ich auch Sorge, dass ich ganz oft gefragt werde, wie mutig ich denn für diese Rolle war. Ich hatte das den Leuten sogar ein bisschen unterstellt, wenn ich ehrlich bin. Ich wurde aber kaum darauf angesprochen. Da habe ich gedacht, vielleicht hat es doch was gebracht, das Buch* zu schreiben und laut zu werden.

Es ging in den Gesprächen eher darum, ob der Sendeplatz nun mutig sei. Ich finde nicht. Es ist auch spannend zu beobachten, dass es für die Schulklasse, mit der wir da gedreht haben, zum Beispiel gar kein Thema war. Es ändert sich also doch was. Da habe ich auch viel für mich mitgenommen, das macht mir Hoffnung.

Golo Euler im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Spannenderweise war für mich der einzige Körper, über den ich nachgedacht habe, der von Timo, gespielt von Golo Euler.

Das ist ja das Schöne und Kluge an dem Drehbuch, dass es das so umkehrt. Es gibt auch diese Szene beim Arzt, wo man sofort denkt, dass er ihr jetzt gleich einen Vorwurf wegen ihres Körpers macht, und er stattdessen Timo warnt.

Solche Szenen sind ganz wichtig im Fernsehen! Es gibt leider immer noch Leute, die dicke Menschen stigmatisieren und Vorurteile haben, weil davon zu wenig erzählt wird. Beim Theater gibt es das nicht. Da habe ich die Julia gespielt, alles Mögliche. Im Film durfte ich jetzt zum ersten Mal ein Love Interest spielen. Früher wurde ich noch nie dafür besetzt. Für mich ist der nächste Punkt jetzt, dass ich das gern weiter spielen möchte, ohne dass der Körper ein Thema ist.

Da sind wir noch nicht, wir sind jetzt bei einem Zwischenschritt am Freitagabend um 20:15 Uhr. Ich hoffe, dass wir dahin kommen, dass ein dicker Körper sich den Raum nimmt und sich hinstellt und sagt: „Ich bin schön“, ohne dass das Empörung hervorruft. Noch ist es nicht soweit, noch müssen wir ein bisschen weiter daran arbeiten.

Social Media ist im Film ein großes Thema. Ich hoffe, dass du dich in einer Bubble bewegst, in der du Anfeindungen, wie deine Jenny sie erlebt, nie erleben musst. Aber was ist ein gesunder Umgang mit den sozialen Medien?

Ich muss leider sagen, dass mir sowas regelmäßig nach wie vor begegnet. Ich melde das alles. Es ist bestimmt auch gut, dass ich nur einen Social-Media-Account habe und bei dem lerne, wie ich den gestalte, dass er mir möglichst wenig Schaden zufügt und ich eine Art Nutzen für mich daraus ziehen kann. Denn ich will das auch nicht verteufeln. Ich habe viele tolle Influencerinnen über Instagram kennengelernt. Mein Tipp: Folgt alle unbedingt Mareike Fallwickl! Sie ist so mindblowing und gibt so viel Kraft!

Das ist eine ganz tolle Seite von Social Media, dass du merkst: „Hey, da sind Menschen, da ist Literatur, da sind Bilder, die anders sind.“ Und man kann selbst dazu beitragen, dass das, was einem reingespielt wird, nur das ist, was einem guttut und einen nicht triggert.

Gleichzeitig finde ich diese Masse an Informationen, die man da im 15-sekündigen Videotakt zugespielt bekommt, vom Kriegsvideo zur Obstschalen-Werbung zur Duftkerze und dann wieder zu einem Kriegsbeitrag, vollkommen irre. Das können wir gar nicht verarbeiten. Unser Hirn lernt, diese Dinge irgendwo hinzuschieben und sich vielleicht auch gar nicht mehr von Sachen berühren zu lassen. Wer überprüft denn noch alle Informationen? Ich halte das für sehr gefährlich, auch weil es so schnell geht, etwas in Umlauf zu bringen.

Ein guter Weg ist, offen und mutig zu erkennen, wenn einem etwas nicht guttut: entfolgen, blockieren, nicht mehr angucken, einfach weg damit. Und mehr die Sachen zu umarmen, die einem ein gutes Gefühl geben. Generell ist es auch wichtig zu schauen, nicht zu viel Zeit in der digitalen Welt zu verbringen, sondern lieber im realen Leben.

Stefanie Reinsperger im Interview mit Andrea Zschocher
© ZDF / Christiane Pausch

Du sagst Mareike Fallwickl, und ich muss dir gestehen: Als ich „Die Wut, die bleibt“* gelesen habe, habe ich an dich gedacht. Ich kann nur gar nicht erklären, warum. Denn wir sprechen hier beide zum ersten Mal miteinander.

Du weißt, dass ich daran arbeite, dass wir einen Kinofilm draus machen?

Das ist nicht dein Ernst! Wie großartig ist das denn?

Es war so, dass ich eine Probelesung zu meinem Buch gemacht habe und mir die Buchhändlerin dieses Buch gegeben hat, mit dem Hinweis, dass es in zwei Wochen rauskommt und sie an mich denken musste.

Mareike und ich haben unsere Bücher zur gleichen Zeit geschrieben, und da habe ich ihr nach dem Lesen ganz naiv eine Nachricht geschickt, wie begeistert ich war, und sie um die Buchrechte angefleht. Leider mahlen auch die österreichischen Filmmühlen langsam.

Ich sage immer, dass Mareike Fallwickl mein Spirit Animal ist. Ich würde mir gern alles, was sie sagt, als Print auf ein T-Shirt drucken, weil ich von dieser Frau wirklich sehr, sehr viel lerne. Über ihre Wut, ihren Feminismus und wie man ihn in die Welt trägt. Dafür bin ich zum Beispiel gern auf Social Media. Nur ihre Buchtipps sind gefährlich, weil ich eigentlich alles kaufe, was sie empfiehlt. [Sie lacht]

Du hypst, völlig zurecht, eine andere Frau up. Sollten wir alle viel öfter tun, weil das der Person und einem selbst gut tut. Hast du noch einen Tipp, was wir für unser Selbstwertgefühl tun können? Denn deine Jenny hat ein sehr gesundes Selbstbewusstsein.

Ich bin da leider auch nicht so gut zu mir, wie Jenny es im Film zu sich ist. Meine innere Stimme ist auf jeden Fall sehr kritisch und sehr hart. So wie ich mit mir rede, würde ich niemals mit einer Freundin sprechen. Daran möchte ich arbeiten. Aber es ist schwer.

Generell merke ich, wie geil es ist, tolle Freundinnen zu haben. Mir tut es gut, mich mit spannenden, liebevollen, witzigen, klugen, leidenschaftlichen und interessierten Frauen zu umgeben. Ich habe auch ganz viele tolle männliche Freunde und generell ganz viel Liebe in meinem Leben. Aber ich merke: Wenn ich meine Freundinnen sehe, dann geht’s mir danach besonders gut.

Eine letzte Frage: Der Film heißt „Liebesbriefe an Jenny“ und du hast schon erwähnt, wie gut es tut, tolle Freundinnen zu haben. Wieso können wir alle unseren besten Freundinnen aus dem Stehgreif den tollsten Liebesbrief schreiben und sie abfeiern, uns selbst aber solche Briefe nicht schreiben?

Vielleicht ist das so ein Frauending. Wir haben gelernt, dass Selbstbewusstsein als Frau schnell als zu viel, als arrogant, überheblich und eitel wahrgenommen wird. Bei Männern wird das als faszinierend empfunden.

Mareike hat bei einer Buchpräsentation gesagt, dass sie den neuen Roman geschrieben hat und so richtig stolz auf sich ist. Da ging ein Raunen durch die Menge. Dabei ist das doch geil!

Wir haben uns das vielleicht ein bisschen abtrainiert. Ich könnte meinen Freundinnen sofort seitenweise aufschreiben, was an ihnen toll ist. Und zu mir selbst bin ich so hart. Es wäre schon schön, wenn sich das ein bisschen ändert.

„Liebesbriefe an Jenny“ könnt ihr ab sofort in Web & App vom ZDF anschauen. Am 30.November läuft der Film um 20:15 Uhr im TV.

Erzählt mal, was in einem Liebesbrief an euch selbst auf jeden Fall drin stehen würde.


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