Das Interview mit Jean-Yves Berteloot war wahrlich ein internationales. Nicht nur, dass er Franzose ist und ich Deutsche, wir über die deutsch-französische Freundschaft zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle und Jean-Yves neuen Film „An einem Tag im September“ gesprochen haben, ich befand mich zum Zeitpunkt des Gesprächs auch noch auf einem Roadtrip durch Europa.
Ein Europa, das sich seit dem Treffen zwischen den beiden Staatsmännern 1958 ziemlich verändert hat. Es ist reicher geworden, auch kultureller und ich würde gern behaupten offener. Was stimmt und gleichzeitig nicht, denn wir erleben aktuell so viele Rückschritte hin zu Zeiten, die wir längst hinter uns geglaubt haben. Auch darüber sprechen Jean-Yves Berteloot und ich im Interview.
Ich muss gestehen, dass ich weder mit Charles de Gaulle noch mit Konrad Adenauer wahnsinnig viel anfangen konnte. Ich kenne die wichtigsten Fakten, aber zum einen bin ich zu jung und zum anderen ist das auch ein sehr westdeutscher Blick auf Geschichte. Beim Schauen von „An einem Tag im September“ ist mir das noch mal ziemlich bewusst geworden, wie unterschiedlich sich auch Geschichtswissen entwickelt, je nach dem wo ma geboren wird. Deswegen ist meine Empfehlung: Schaut euch den Film an, lernt etwas. Und lasst uns über Politik streiten!

Was hat dich gereizt, bei dem Projekt mitzumachen?
Jean-Yves Berteloot: In erster Linie natürlich das Thema. Diese Freundschaft zwischen den beiden Männern, die damals Feinde waren und nur zwölf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entschieden, dass sie die Vergangenheit überwinden müssen. Sie beginnen eine Freundschaft für die Zukunft ihrer Länder.
Die Themen aus dem Film sind heute wieder genauso wichtig. Wir haben noch so viel zu tun, um das zu erreichen. Mich hat selbstverständlich auch die Figur Charles de Gaulle gereizt. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich für einen deutschen Film mal diesen großen, berühmten, einschüchternden und auch schwierigen Mann verkörpern darf. Das war eine große Herausforderung, die ich gern angenommen habe.
Der dritte Grund für meine Zusage war, dass ich die Möglichkeit wahrnehmen wollte, wieder mit Kai Wessel zu arbeiten. Ich habe ihn kennengelernt, als ich 2006 mit ihm „Die Flucht“ für die ARD gedreht habe. Das war damals ein tolles Erlebnis für mich als Schauspieler. Die Drehorte waren beeindruckend, es war ein richtiges Abenteuer, mit Kai zu arbeiten. Auch die Zusammenarbeit mit dem Kameramann Holly Fink war wunderbar. Und das wollte ich gern wieder tun. [Anmerkung: Auch Holly Fink ist bei „An einem Tag im September“ als Kameramann wieder mit dabei.]
Was war dir bei diesem Projekt wichtig?
Wir erzählen die Geschichte, die dem Film seinen Titel gibt. Das war natürlich das Treffen dieser beiden Figuren, das steht im Fokus. Aber für Kai waren auch alle Menschen drumherum sehr wichtig. Der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer hat das sehr gut geschrieben, den Blick auf die normalen Leuten aus dem Dorf, ihren Alltag und den großen Figuren der Zeitgeschichte. Ich finde, diese Mischung ist gut gelungen und auch interessant für die Zuschauer. Es geht nicht nur um Diplomatie, Politik und ein historisches Event, sondern auch um die ganz normalen Menschen. Das ist ja die Schwierigkeit bei einem solchen Film, dass er dann nicht nur lehrreich daherkommt.
Der Film bietet die Möglichkeit, die Menschen hinter der Politik kennenzulernen. Das ist doch wichtig, dass wir die persönlichen Geschichten verstehen, um dann zu erkennen, warum die beiden zusammengearbeitet haben. Man muss ihre Motivation verstehen. Wir wollten keinen Film machen, der ein Lehrstück ist und die Leute langweilt, sondern etwas, damit die Menschen verstehen, was Adenauer und de Gaulle angetrieben hat.

Hast du, als du dich mit Charles de Gaulle für den Film auseinandergesetzt hast, etwas über ihn gelernt, das du vorher nicht wusstest?
Ich wusste vorher gar nicht so viel über ihn. Ich habe zwei Monate vor den Dreharbeiten einige Bücher über ihn gelesen. Da gibt es so viele, da hätte ich jahrelang lesen können. [Er lacht] Ich wollte aber verstehen, worüber er spricht, wenn er mit Adenauer über Diplomatie redet. Es ist nicht einfach, diese ganze Epoche zu verstehen.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Charles de Gaulle so einen guten Humor hatte. Ich habe sehr lustige Geschichten von ihm gelesen. Sehr berührt hat mich auch die Verbindung zu seiner Tochter. Das ist im Film auch zu sehen. Sie hatte das Down-Syndrom, und man sieht ein Foto von den beiden im Film. Da sieht man einen ganz anderen Mann. Ich habe in einem Buch gelesen, wie wichtig es de Gaulle war, dass er jeden Tag, wenn er zu Hause war, mit ihr gelesen hat. Er hat sie viel gestreichelt, er war ein sehr sensibler Mensch. Seine Tochter hat ihn immer wieder geerdet und ihm gezeigt, was wirklich wichtig ist im Leben.
Und de Gaulle war ein sehr gläubiger Mensch. Ich habe vieles nicht gewusst. De Gaulle war auch ein sehr scheuer Mensch. Er mochte keine Fotos von sich, das war überhaupt nicht sein Ding. Da war er ganz anders als die Politiker heutzutage, die ihr Foto überall auf den Zeitungen und in Social Media abgebildet haben wollen.
Durch den Film und die Arbeit an der Figur habe ich verstanden, wie wichtig de Gaulle nicht nur für Frankreich, sondern auch für andere Länder, für Europa war. Er hatte so viel schon verstanden und vorhergesehen, was wir damals vielleicht nicht wertgeschätzt haben. Vielleicht wurde ihm damals nicht genug zugehört. Jetzt, fast 70 Jahre später, sehen wir, wie wichtig diese Freundschaft zwischen Adenauer und de Gaulle war. Wir brauchen solche Freundschaften heute mehr denn je, denn wir brauchen ein echtes, ein starkes Europa.
Ich weiß manchmal nicht, warum wir so viel Zeit verloren haben. Haben wir es immer noch nicht verstanden? Wir sind doch wieder an dem Punkt, an dem wir schon mal waren. Wir wissen, wer und was aktuell vor der Tür steht. Wenn wir diese Tür öffnen, dann steht da wieder Krieg. Die Zeiten sind beängstigend. Auch deswegen ist der Film, den wir gemacht haben, so wichtig.
Sowohl de Gaulle als auch Adenauer haben ihr Leben in den Dienst der Sache gestellt. In den Dienst des Friedens.
Sie haben sich in den Dienst des Friedens und des Volkes gestellt, ja. Sie wollten die Vergangenheit überwinden und Kompromisse finden. Es ging ihnen nicht darum, über sich selbst zu erzählen. Sie wollten keinen Karneval veranstalten, wie wir das heute in der Politik oft erleben.
Ich bin kein großer Fan der aktuellen Politik, obwohl mich das Thema sehr interessiert. Das sollte man sowieso tun, sich für Politik interessieren.

Was müsste sich ändern, damit du ein größerer Fan von Politik wärst?
Oh mein Gott, was für eine Frage! [Er überlegt]
Ich glaube, es geht mir da wie vielen anderen Leuten heutzutage. Es fällt uns schwer, an die Politik zu glauben, an die Menschen, die diese Politik vertreten. Es ist schwierig geworden, den Politikvertretern zu vertrauen. Es wirkt manchmal so, als würde die Welt von Milliardären und Autokraten geführt werden.
Welche Rolle würde dich als Schauspieler noch reizen? Du hast schon so viele unterschiedliche Figuren gespielt, was reizt dich an einem Projekt?
Ich warte immer auf Überraschungen. Das war bei diesem Projekt so, da war das Angebot überraschend. Ich danke dem deutschen Fernsehen und Kai Wessel dafür, dass sie mich für diese Rolle gewählt haben. Natürlich ist es auch immer spannend, einen sehr guten Bösen zu spielen. Warum nicht mal in einem „Tatort“? [Er lacht]
Charles de Gaulle zu spielen, war ein großes Geschenk. Ich spiele aber auch viele andere Rollen und freue mich auf alles, was kommt.
„An einem Tag im September“ läuft am 15. September im ZDF. Ihr könnt den Film ab sofort auch jederzeit in der ZDF Mediathek anschauen.
Schreibe einen Kommentar